DOMRADIO.DE: Bei "Tabgha" denke ich persönlich direkt an den biblischen Ort Tabgha am See Genezareth. Warum haben Sie Ihre Jugendkirche so genannt?
Stephan Markgraf (Jugendseelsorger und Leiter der Jugendkirche Tabgha): Tatsächlich ist das genau der Ort in Israel am See Genezareth, wo heutzutage sogar ein Kloster von den Benediktinern steht. Die Gründerväter und -mütter vor 20 Jahren hatten sich das ausgesucht, weil es eine biblische Geschichte gibt, die mit diesem Ort verbunden ist. Denn das ist der Ort der Brotvermehrung. Das wurde dann im übertragenen Sinne als ein Ort verstanden, wo Menschen hinkommen, mitbringen, was sie haben und das dann teilen.
Daraus hat man damals die Jugendkirche quasi thematisch gegründet und gesagt: Das ist ein Ort, wo junge Menschen hinkommen und ihre Talente teilen. So hatte man das Gründungsmotto. Und dann hat man den Namen genommen, der nicht unproblematisch ist, weil wenn man jemandem am Telefon "Tabgha" buchstabieren will, wird es auch manchmal ein bisschen falsch verstanden, aber so ist das.
DOMRADIO.DE: Verstehen denn alle richtig, was Jugendkirche eigentlich ist? Was ist denn das Besondere an Jugendkirche?
Markgraf: Das Besondere an Jugendkirche ist: Es ist tatsächlich ein Ort, wo junge Menschen mit ihren Themen hinkommen können. Und wenn wir Gottesdienste feiern oder Projekte machen, dann sind sie immer im besten Fall so gemünzt, dass die mit jungen Menschen auch vorbereitet sind und dass die sagen: Das und das möchten wir so gerne mal mit euch machen. Dafür haben wir vielleicht keine Plattform oder kein Geld. Könnt ihr uns da nicht unterstützen als Kirche? Und dann sagen wir: Ja, ihr habt echt interessante Themen. Manchmal geben wir auch Themen vor und gucken mal, ob das jemanden interessiert, aber idealerweise geht das immer mit Jugendlichen gemeinsam.
DOMRADIO.DE: Sie sind von Oberhausen nach Duisburg umgezogen. Warum? Und vor allen Dingen: Was bedeutet das für die Jugendlichen?
Markgraf: Für uns als Team war das natürlich aufregend genug. Die jungen Menschen waren da, glaube ich, relativ entspannt. Die Jugendkirche Tabgha war vorher in Oberhausen beheimatet und sie ist jetzt in Duisburg ansässig. Das ist eine Viertelstunde mit dem Auto entfernt vom ehemaligen Platz, wenn man mal über die Autobahn fährt. Die Jugendlichen, die vorher da waren, sind auch jetzt da – und es kommen noch Neue dazu. Ich glaube, denen macht das gar nichts aus, ob sie nun nach Mülheim, Duisburg oder Oberhausen fahren. Das ist keine Herausforderung.
DOMRADIO.DE: Warum, denken Sie, eignet sich diese Kirche St. Josef in Duisburg vom Umfeld her ganz besonders als Jugendkirche?
Markgraf: Tatsächlich haben wir, als es darum ging umzuziehen, geschaut: Wo ist ein Ort, der am Puls der Zeit ist, der mit im Leben ist, im Herzen einer Stadt? Da sind wir dann auf den Dellplatz gestoßen – und der Pfarrer hier mit seinem ganzen Pastoralteam und den Gremien, die haben sich auch beworben und haben gesagt: Es wäre doch schön, wenn ihr kommt.
Und wir waren total begeistert, als wir die St. Josephs-Kirche gesehen haben. Der Dellplatz an sich ist schon irre – mit Kleinkunst, Programmkino, mit einem Brauhaus, mit Gastronomie. Aber die Kirche an sich ist halt leider im Krieg zerstört worden. Sie ist dann aufgebaut worden, sodass man einen historischen Teil hat, der neugotisch aussieht und einen Teil, der sehr modern ist.
Die Kirche hat ein glasklares Fenster, das so hoch und so breit ist wie eine ganze Kirchenseite. Das ist so wunderschön. Es ist einfach ein Ort des Erstaunens, wenn man in die Kirche kommt. Ich habe damals "Wow!" gesagt und gerade bei der Eröffnung am Sonntag haben viele Menschen gesagt: "Wow, ist das was Besonderes!" Ja, da geht einem das Herz auf.
DOMRADIO.DE: Das heißt, der Sonntag war gelungen und es waren viele junge Leute da?
Markgraf: Ja. Wir mussten leider auch Absagen erteilen. In Corona-Zeiten ging es nicht anders, als dass man sich offiziell anmelden musste. Wir haben dann auch geschaut, wer genesen, geimpft und getestet war – und haben dann die Kirche mit 122 Menschen voll gekriegt, mit all den Hygieneregeln, die es so gibt.
Das war schon bombastisch, wenn man sich vorstellt, dass wir quasi ein dreiviertel Jahr, also zumindest seit dem 6. Dezember, wo wir uns in Oberhausen verabschiedet haben, nicht mehr in Präsenz gefeiert haben.
DOMRADIO.DE: Ich habe gedacht, in der Lockdown-Zeit, da lief fast alles digital, dass es schwer ist, die Jugendlichen dann wieder live in die Kirche zu holen. Das scheint nicht so zu sein?
Markgraf: Die Sehnsucht war groß. Digitalität hat ihre Chancen und das ist auch schön, von zu Hause aus einen Gottesdienst mitzufeiern. Wir haben nicht gestreamt, sondern wir waren digital unterwegs, sodass man sich auch beteiligen konnte.
Aber es ist halt noch mal etwas anderes, als wenn man anschließend nach dem Gottesdienst zusammensteht und bei einer Limo ins Gespräch kommt. Das ist halt digital anders. So nett das auch ist mit den "Breakout Rooms" – live ist anders.
DOMRADIO.DE: Welche Jugendlichen kommen denn zu Ihnen? Sind die alle katholisch oder kann da auch jeder seine nicht katholischen Freunde mitbringen?
Markgraf: Auf jeden Fall. Und dann, glaube ich, funktioniert auch Jugendkirche besonders gut, wenn junge Menschen so stolz oder so froh sind auf das, was hier ist, dass sie ihre Freunde und Freundinnen mitbringen, dann ist es das Beste, was einem passieren kann. In den Gottesdiensten – klar – braucht man mindestens ein bisschen spirituelles Gefühl und Interesse an so etwas, aber wir haben ja auch Projekte, zu denen Schulklassen kommen und Firmgruppen.
Und da sind ganz viele Leute dabei: Christen, Nichtchristen, Menschen mit anderen Religionen. Muslime haben wir dabei gehabt, Getaufte, Ungetaufte, alle, die sich so in Klassen in Deutschland tummeln, auch sogar Milieu-übergreifend. Das ist halt ein Unterschied zwischen den einzelnen Projekten und der Gottesdienst-Gesellschaft.
Das Interview führte Dagmar Peters.