EKD-Präses Heinrich tourt durch Deutschland

"Nah bei den Leuten sein"

Anna-Nicole Heinrich ist gerade mal 100 Tage im Amt und will bis zum 23. September Deutschland erkunden, nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen und keine Hotels nutzen. Die 25-jährige EKD-Präses zieht nun eine erste positive Bilanz.

Anna-Nicole Heinrich besucht den Skate- und BMX-Park bei Flensburg / © Tim Riediger / nordpool (epd)
Anna-Nicole Heinrich besucht den Skate- und BMX-Park bei Flensburg / © Tim Riediger / nordpool ( epd )

DOMRADIO.DE: Wo erreichen wir Sie gerade?

Anna-Nicole Heinrich (Präses der EKD-Synode): Im Moment bin ich im Gemeindehaus in Riesa, wo ich gestern Abend angekommen bin. Ich bin nämlich einen Tag mit dem ökumenischen Pilgerweg für Klimagerechtigkeit mitgelaufen.

DOMRADIO.DE: Sie sind ja erst vor wenigen Tagen zu Ihrer Tour gestartet. Wie lief es bisher?

Heinrich: Wir sind am Montag in Flensburg gestartet, waren dann zwei Tage in Lüneburg. Da hatte die Leuphana Universität eine spannende Konferenz. Das war ein super guter Startpunkt, von da an ging die Tour richtig los. Wir haben ganz viele spannende Projekte, Kontaktdaten und Menschen eingesammelt.

Gestern war ich in Dresden über Nacht in einem Community-Garten, wo ich in einem Gartenhaus übernachtet habe. Das hat sich ganz spontan über den Tag ergeben. Also bis jetzt lief es sehr gut. Ich hatte noch nie Angst, dass ich keine Übernachtung finde und habe schon eine große Liste an Impulsen und spannenden Menschen kennengelernt.

DOMRADIO.DE: Welche Menschen treffen Sie und was für eine Art Gespräche führen Sie?

Heinrich: Es sind so viele Eindrücke. Zum Beispiel waren wir in Flensburg in einem der größten BMX-Parks Europas, die dort offene Kinder- und Jugendarbeit bis hin ins junge Erwachsenenalter machen. Die haben echt Modellcharakter für Flensburg. Wir haben darüber super spannende Gespräche geführt, wie zum Beispiel Ehrenamt, Teamer*innen, Mitarbeiter*innen das machen, weil da recht viele auch auf dieser großen Fläche engagiert sind. Auch wie sie die Rollen über Verantwortungsübernahme klarkriegen. Das war echt spannend, das mal mit so einem sehr großen und sehr freien Projekt zu diskutieren.

Oder in Lüneburg auf der Utopie-Konferenz zum Thema "utopisch teilen" darüber zu diskutieren, was wir eigentlich brauchen in Zukunft, wie wir teilen oder auch umverteilen müssen und was Gerechtigkeit bedeutet. In Dresden bin ich so ein bisschen in Permakultur und wie wir nachhaltig wirtschaften eingestiegen. Das war eine Gruppe von Menschen oder Bubble, mit der ich eigentlich nie was zu tun habe. Da haben ich dann in dem Community-Garten übernachtet. Dort wird darauf geachtet, dass alles bedürfnisorientiert geteilt wird. Dabei sind super spannende Gespräche über Gott und die Welt entstanden.

DOMRADIO.DE: Ich will nochmal anknüpfen an Ihren Besuch in Flensburg bei dem Skate- und BMX-Park. Sie sagen, dieser Termin sei inhaltlich anders gewesen als die bisherigen als EKD-Präses. Während Ihrer Tour wird es also immer wieder Gespräche geben, die völlig neu sind für Sie?

Heinrich: Auf dieser Tour ist es ein bisschen anders, weil ich versuche, Teil der Gruppe zu sein. Es ist nicht so, dass hier die Präses kommt, und mir das Tollste präsentiert werden muss, sondern ich will einfach kommen, mitmachen, mitpilgern oder mit den Jungs BMX fahren. Sie sollen mir was zeigen. Ich habe das Gefühl, dabei kriege ich viel mehr mit - auch wie viel Feuer in manchen Sachen steckt. Wenn man sieht, wie euphorisch sie versuchen, mir, die nicht gut BMX fahren kann, was zu zeigen. Dabei kommt man viel lockerer ins Gespräch.

Ich erhoffe mir von der Tour schon dieses Ziel: Nah bei den Leuten sein. Auch dieser Gedanke, man lässt sich einfach mal treiben, keinen festen Plan oder Termine zu haben und die Leute nach Tipps, Personen oder Projekten fragen.

Was mich total fasziniert, ist, dass ich - bis auf heute beim Klimapilgerweg - eigentlich nur Kontakt mit Leuten hatte, die nichts mit der Kirche am Hut haben. Dass ich Präses der EKD-Synode bin, war für niemanden abschreckend, sondern alle fanden das eher cool. Es kamen eher noch Leute auf mich zu, die mir Vorschläge machten, was ich mir noch alles anschauen solle oder haben mir Kontakte vermittelt. Ich bin einer großen Offenheit begegnet und freue mich, die nächsten Tage noch mitnehmen zu können.

DOMRADIO.DE: Apropos kein fester Plan. Sie sind mit der Bahn unterwegs. Viele stöhnen über Ausfälle oder Verspätungen. Wie ist Ihr Eindruck nach den ersten Tagen?

Heinrich: Anfang der Woche war noch der Bahnstreik. Das war etwas aufwendiger, aus Flensburg abzureisen. Aber ich habe das Gefühl, wenn die Bahn streikt, steigt die Solidarität von Menschen, die andere Fortbewegungsmittel haben, die Gestrandeten irgendwie mitzunehmen und da weiterzuhelfen, an den richtigen Ort zu kommen. Ich bin da ganz zuversichtlich.

Ich bin eigentlich immer mit der Bahn unterwegs und fahre eigentlich nur mit dem öffentlichen Nahverkehr. Da entwickelt man irgendwann eine Frusttoleranz. Bis jetzt lief es ganz gut. Wir machen so ein kleines Tracking der Verspätungen und von Flensburg nach Dresden haben wir erst 37 Minuten Verspätung gesammelt. Das ist eine ganz gute Bilanz dafür, dass wir schon einmal durchs halbe Land gefahren sind.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht es weiter nach Aachen. Sind Sie auch beim Gedenkgottesdienst für die Flutopfer dabei?

Heinrich: Genau, deswegen mache ich mich auf den Weg nach Aachen und werde danach vermutlich nochmal den Nordwesten ein bisschen erkunden. Am 23. September, wenn die Tour zu Ende ist, möchte ich am liebsten mit ganz vielen Eindrücken von Zuhause, Gefühl und Gemeinschaft in Freiburg ankommen. Das ist nämlich eigentlich auch so ein bisschen das Motto: Nah unterwegs Zuhause suchen. Ich hoffe, auch ein paar Lernerfahrungen für mich, für die Synode und die EKD im Gepäck zu haben. 

Das Interview führte Carsten Döpp.


Anna-Nicole Heinrich fährt im BMX-Park bei Flensburg / © Tim Riediger / nordpool (epd)
Anna-Nicole Heinrich fährt im BMX-Park bei Flensburg / © Tim Riediger / nordpool ( epd )
Quelle:
DR
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