Beginn des Jahres 5782 erneut in der Pandemie

"So viel wie möglich feiern"

Nicht nur die Pandemie prägt das jüdische Neujahrsfest und den höchsten Feiertag Jom Kippur. Gemeindemitglieder hat auch die Flut erwischt. Eine französische Rabbinerin rät, wie man mit Krisen umgehen kann.

Autor/in:
Leticia Witte
Ein Gläubiger Jude bläst die Schofar / © MIA Studio (shutterstock)
Ein Gläubiger Jude bläst die Schofar / © MIA Studio ( shutterstock )

Im Judentum bricht die Zeit der Hohen Feiertage an - und erneut müssen sie unter Bedingungen der Corona-Pandemie begangen werden. So gelten Hygienemaßnahmen in den Gottesdiensten, und auch die eine oder andere Zusammenkunft in Gemeinden und Familien dürfte kleiner ausfallen als in normalen Zeiten.

Den Auftakt macht das jüdische Neujahrsfest Rosch Haschana, das am Montagabend begann und bis Mittwoch andauert. Es leitet zehn Bußtage ein, die in Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Fest, münden. Der Versöhnungstag startet am Abend des 15. September und dauert bis zum nächsten Tag.

Der Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde im bayerischen Amberg, Elias Josef Dray, zeigt sich dankbar für das, was an den Feiertagen möglich ist. "Wir wollen so viel wie möglich feiern und dafür Lösungen finden." Corona-Pandemie, strenge Einreisebeschränkungen nach Israel, Flutkatastrophe in Deutschland, von der etwa auch die Jüdische Gemeinde in Hagen betroffen ist, dramatische weltpolitische Entwicklungen - die Hohen Feiertage fallen in schwierige Zeiten. "Man realisiert, dass alles unsicher ist, und man lernt, vieles mehr zu schätzen", gibt Dray von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland zu bedenken.

Neujahrsfest ohne Sektkorken und Feuerwerk

Das Neujahrsfest leitet das Jahr 5782 nach Erschaffung der Welt ein. Anders als in der christlich geprägten Gesellschaft hierzulande knallen aber keine Sektkorken oder Feuerwerkskörper. Denn die Tage sind geprägt von Gebeten in der Synagoge, Mahlzeiten innerhalb der Familie sowie persönlicher Einkehr, Reue und Buße. Rosch Haschana bedeutet wörtlich "Kopf des Jahres".

Die Feierlichkeiten beginnen in der Regel mit einem Gebet in der Synagoge, mit dem Dankbarkeit für die Schöpfung ausgedrückt wird: Rosch Haschana erinnert an die Erschaffung des Menschen durch Gott. In der Synagoge wird der Schofar, das Widderhorn, geblasen. Auf den heimischen Tisch kommen unter anderem Äpfel mit Honig und andere süße Dinge, mit denen positive Wünsche für das neue Jahr verbunden sind.

"Wie zu jedem jüdischen Fest gilt auch an Rosch Haschana das Gebot eines richtig gedeckten Tisches. Lebensmittel wie Äpfel, Honig, Granatapfel und Fisch haben einen hohen symbolischen Wert und dürfen auf keinem Tisch fehlen", erklärt das Jüdische Bildungszentrum Chabad Lubawitsch Berlin. Damit jeder die Hohen Feiertage traditionell feiern könne, verteile das Zentrum auch in diesem Jahr 1.500 Rosch-Haschana-Pakete für Bedürftige.

Jom Kippur wird von Mehrheit der Juden eingehalten

Die Tage bis Jom Kippur sind geprägt von Buße und Fasten. Um eine Vergebung der gegen Gott gerichteten Sünden zu erhalten, sollen bereits vor dem Versöhnungstag alle zwischenmenschlichen Verfehlungen ins Reine gebracht werden. Jom Kippur selbst wird als strenger Fast- und Ruhetag begangen. In Israel kommt das öffentliche Leben zum Erliegen. Der höchste Feiertag wird von der Mehrheit der Juden, einschließlich der nicht-religiösen, eingehalten.

Seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur 2019 ist dieser wichtige Tag zugleich mit dem schrecklichen Ereignis in vielen Köpfen verbunden. Der Gemeinderabbiner von Halle und auch Dessau, Elischa Portnoy, skizzierte jüngst in der "Jüdischen Allgemeinen", dass sich wegen vieler Synagogenbesucher an den Hohen Feiertagen das "rabbinische Herz" freue, zugleich aber immer die Sicherheit wegen Corona gewährleistet werden müsse. Seine Gemeinden hätten sich nun entschieden, an den Tagen nur genesene, vollständig geimpfte oder frisch getestete Menschen zu den Gottesdiensten zuzulassen.

Ganzheit wird im Leben nicht erreicht

Und danach? Wenn ab Mitte Oktober Corona-Tests Geld kosten sollen? Das könnte "ziemlich empfindlich zu Buche schlagen", so Portnoy. "Für Nichtgeimpfte können Synagogenbesuche dann recht teuer werden." Die beste Lösung aus seiner Sicht: "sich impfen zu lassen, anstatt viel Zeit und Geld für ständiges Testen zu verlieren."

Mit Blick auf die Zeiten, in denen die Hohen Feiertage dieses Mal gefeiert werden, machen denn auch einige Worte der französischen Rabbinerin Delphine Horvilleur nachdenklich - aber auch Hoffnung. In einem Online-Vortrag sagte sie vor einiger Zeit, dass Ganzheit im Leben nicht erreicht werden könne. Der "jüdische Umgang" mit der Krise sei: mit Brüchen zu leben.


Juden in der Pandemie / © Alex Eidelman (shutterstock)

Jüdische Kapparot-Zeremonie vor Jom Kippur / © Sebi Berens (KNA)
Jüdische Kapparot-Zeremonie vor Jom Kippur / © Sebi Berens ( KNA )

Rosch Haschana in einer Familie / © Harald Oppitz (KNA)
Rosch Haschana in einer Familie / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema