Den April ist Erzbischof Simon Ntamwana auf Lesereise in Deutschland. Das Buch "Nur Versöhnung kann uns retten" haben wir beide zusammen geschrieben. Nach vielen Stationen, großen und kleinen Veranstaltungen in ganz Deutschland, sind wir heute bei den so gastfreundlichen Steylermissionarinnen in Frankfurt zu Gast.
Eine Überraschung: Schwesternpommes und ein Nachtcafé
Die Frankfurter Niederlassung ist in doppelter Hinsicht jung: sie ist erst 2016 gegründet worden - und es leben sehr junge Frauen hier. Die Schwestern, die in ein aufgegebenes Pfarrzentrum gezogen sind, wollen Gemeinschaft neu denken und leben. Sie haben ein "Nachtcafé", eine Notschlafstätte für Frauen in Not gegründet, das direkt an die Sakristei anschließt.
Um mit den Menschen in Kontakt zu kommen, gibt es die "Schwesternpommes", eine Boutique mit Kleidertausch und Kaffeetrinken im ehemaligen Pfarrgarten. Der Erzbischof ist bewegt: "Die Schwestern haben sofort vorgeschlagen, Kaffee mit Ärmeren zu trinken, das war für mich eine Überraschung! Wie ist das denn möglich in Frankfurt? Zwei Stunden waren wir zusammen, einfach so. Das war wie ein Trost für mich. Ich habe ja bei mir in Burundi arme Menschen, aber hier sind noch viel Ärmere!"
Burundi ist kein lächelndes Land
Abend für Abend kann ich beobachten, wie die Erzählungen des Erzbischofs die Menschen in ihren Bann ziehen. Vornüber gebeugt, aufmerksam und erschrocken, angewidert und angerührt hören sie zu. Und ich frage mich, wie das wohl für ihn ist, seine ganz persönliche Geschichte Fremden in einem anderen Kontinent zu erzählen? "Ja, ich habe einfach in diesen letzten Abenden Leute getroffen, Männer und Frauen und Jugendliche, die mit der Frage der Gewalt in der Welt beschäftigt sind, die nach Frieden fragen. Und immer wieder nach meiner Erzählung, waren die Menschen, so traurig, insofern ja, sie hatten Mitleid mit dem Volk in Burundi, die seit 50 Jahren in einer Kette aus Gewalt lebt. Die Menschen sind ganz berührt, ganz bewegt, von dem Leid und fragen: was können wir tun."
Die Menschen in Deutschland wissen wenig über Burundi: "Burundi ist ja ein junges Land. Ein schönes Land, fruchtbar und mit Bodenschätzen. Normalerweise könnte es eine schöne Zukunft haben, so dass es ein lächelndes Land sein sollte!" Aber so ist es nicht, Burundi ist kein lächelndes Land, Burundi hungert und wird von der Regierung brutal unterdrückt: "Burundi ist ja das drittärmste Land der Welt. Wir sind gelähmt durch diese Krisen."
Eine grausame Liste
Den Genozid aus Ruanda kennen wir, den aus Burundi nicht. Warum, will ich wissen? "Ich war oft bei den Treffen über Burundi, deswegen konnte ich sehen, dass die Weltgemeinschaft sich ermüdet hat. Die internationale Gemeinschaft ist nicht so interessiert, nicht viele sind nach Burundi gekommen, um zu sehen, wie es uns ging. Die Regierung will natürlich auch keine Zeugen haben. Umso schlimmer für uns! Wir sterben ohne ein Zeichen zu hinterlassen. Die Menschen werden einfach vergessen."
Erzbischof Simon Ntamwana selbst hat den Genozid nur überlebt, weil er 1972 in Rom studierte. Ein weißer Vater, ein Missionar kam eines Tages und brachte dem Bischof einen Brief seines Heimatpfarrers, mit so nüchternen, wie schrecklichen Nachrichten. "Die Namen deiner Familie, die tot sind folgende. Dann folgten 54 Namen. 54!"
Versöhnung kostet unser Herz
In der Sendung erzählt der Bischof, wie seine Geschichte weiterging, als er sich den Wünschen seiner Oberen in Rom widersetzte und trotz der Gefahr nach Burundi zurückging. Dort schaffte er es nicht nur selber weiter zu leben, trotz aller Verluste, dem Mörder seines Vater und seiner Brüder zu vergeben, Hilfe für Witwe und Waisen zu organisieren sondern schließlich auch ein großes Werk der Versöhnung aufzubauen.
Seit über vier Jahrzehnten wird der Bischof nun schon mit dem Tod bedroht. Aber er erzählt auch von zehntausend Briefen, die Amnestygruppen aus der ganzen Welt schickten. Was für ein Trost und was für ein Schutz: eine Weile bedrohte die Regierung ihn weniger.
Das Opfer macht den ersten Schritt
Abend für Abend wollen die Menschen wissen, ob das geht, dem Mörder seines Vater zu vergeben. "Aber ja, sagt der Bischof, ich habe es ja gemacht." Er weiß, wie schwer das ist: "Versöhnung ist schwierig, die Initiative kostet, sie kostet ja unser Herz."
Und der Bischof kommt zu einer für Europäer überraschenden Analyse: "Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, wer hat es leichter? Und ich glaube, dass das Opfer es leichter hat. "Schuld ist wie eine dunkle Wolke, die uns umhüllt, wir sind ja nackt, wenn wir Täter sind. Die Schuld verletzt und verwundet uns leider. Wir haben die Liebe nicht mehr. Wenn wir diese nicht haben, können wir sie auch nicht annehmen." Das Opfer aber "bleibt in seiner Reinheit sozusagen, das ist di Quelle daher kann er neue Kräfte schöpfen."
Ist sein Herz nicht müde?
Ist sein Herz nicht müde, will ich zum Schluss von ihm wissen. Denn, obwohl das Morden schon fast 50 Jahre lang währt, ist 2015 schon wieder die Gewalt nach Burundi zurückgekehrt. Aber der Bischof gibt die Hoffnung nicht auf, niemals, komme, was da wolle. Er weiß, dass seine Arbeit, unter allen Umständen, Sinne macht: "Ich wünsche, dass wir endlich, endlich miteinander leben können. Ich wünsche, dass die Burunder mit einer Hand schreiben, die nur Liebe, nicht Gewalt, die nur das Gute und nicht das Böse tun wollen."
Die Hände des Bischofs und seiner vielen Mitarbeiter lieben schon.