KNA: Herr Erzbischof, viele warnen vor einem Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs in Burundi. Welche Chancen sehen Sie für einen Dialog zwischen der Regierung von Präsident Nkurunziza und der Opposition?
Ntamwana: Für mich ist dieser Dialog der einzige Weg, der den Frieden nach Burundi zurückbringen könnte. Wenn wir immer stumm bleiben, werden sich noch viele Menschen umbringen - völlig sinnlos.
KNA: Sie haben einmal gesagt, jene, die jetzt regieren, hätten alle Blut an den Händen. Gilt das immer noch - oder gibt es vielleicht sogar eine neue Generation Politiker, die etwas Hoffnung macht und die sich zu unterstützen lohnen würde?
Ntamwana: Vor einem Monat war ich in Kampala [der Hauptstadt Ugandas; d. V.], und Präsident Yoweri Museveni sagte dort den Regierenden Burundis, die auch anwesend waren: "Ihr seid Kriminelle. Ihr müsst einem Dialog zustimmen." Wenn er so etwas sagt, dann weiß er, dass jene, die heute an der Regierung sind, keine sauberen Hände haben.
Man hat ihnen damals nach Ende des Bürgerkriegs eine vorübergehende Immunität angeboten - aber um genau diese kleinen Schritte der Versöhnung im Land zu erleichtern. Doch leider sind sie eben Missetäter.
KNA: Wie kam im vergangenen Jahr die Aktion der Kirche an, sich komplett aus dem Wahlprozess zurückzuziehen?
Ntamwana: Wir haben absehen können, dass die Ergebnisse dieser Wahlen nicht angenommen werden. Das war der einzige Grund. Die Regierung hat sicher daran zu knabbern gehabt, das weiß ich. Aber wir konnten nicht gegen die Wahrheit handeln. Wir wollten diesen Wahlprozess voller Mängel nicht mittragen.
KNA: In Burundi ist Überbevölkerung schon länger ein Problem. Dennoch sind in den vergangenen zehn Jahren noch drei Millionen Menschen hinzugekommen. Könnte das ein zusätzlicher Anlass für Extremismus und Gewalt werden?
Ntamwana: Nicht notwendigerweise. Sicher hat das kleine Burundi damit eine sehr große Herausforderung vor sich. Aber ich habe kein Recht, die Zahl der Kinder auf zwei oder drei oder vier oder fünf zu begrenzen. Wir müssen die Familien durch Ausbildung befähigen, mehr Verantwortung dafür zu übernehmen. Das ist der Weg, den Druck von Burundi im Bereich Demografie zu nehmen.
KNA: Seit Ausbruch des Konflikts sind wieder Hunderttausende auf der Flucht, in die Nachbarländer, aber auch innerhalb Burundis. Wie hilft die Kirche?
Ntamwana: Vor Ort gilt es natürlich zu helfen, dass niemand das verlassene Haus oder das verlassene Feld einer Flüchtlingsfamilie einfach an sich nimmt. Im konkreten Fall ist das zwar schwierig. Doch allein darauf zu beharren, dass man sich das, was der Nachbar hinterlassen musste, nicht aneignet, ist schon etwas. Und natürlich bemüht sich die Caritas Burundi, in Kontakt mit den Flüchtlingen zu bleiben und sie nach ihren Möglichkeiten zu unterstützen.
KNA: Stichwort Agrarreform. Es ist ja äußerst schwierig, die Bevölkerung zu ernähren mit den sehr kleinen Äckern und den rückständigen Anbaumethoden.
Ntamwana: Auch da verschärft sich leider die Lage. In den vergangenen Jahren sind Menschen gestorben, weil es Zwist innerhalb von Familien um die Teilung des wenigen Landes gab. Wir müssen das Wohnen in Burundi ändern. Es fehlt das Geld, etwa in Hochhäuser zu investieren, damit wir größere Flächen für Agrarwirtschaft freimachen könnten. All das scheitert aber schon daran, dass sich die Politiker nur etwas in die Tasche stecken wollen. Alles andere kann warten...
KNA: Und die Erschließung der Rohstoffe? Burundi ist ja, was seine Bodenschätze angeht, eigentlich ein reiches Land.
Ntamwana: Ich kann nicht verstehen, dass unser Nachbarland Kongo durch Bodenschätze so reich ist und wir, nur 30 Kilometer weiter, nicht. Man sagt, die Nickel-Vorkommen in Burundi seien die besten der Welt. Aber Zeit, dieses Nickel auszugraben, haben wir nicht - wir zanken. Dafür haben wir viel Zeit - weil es ja auch sehr leicht ist.
Das Interview führten Alexander Brüggemann und Lena Kretschmann