Christiane Florin über ihr Buch "Weiberaufstand"

"Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen"

Aus der Zeit gefallen - oder aktuell wie eh und je? Christiane Florin fragt in ihrem Buch "Weiberaufstand" nach der Rolle der Frau in der katholischen Kirche. Johannes Schröer hat mit der Autorin gesprochen.

Christiane Florin / © privat
Christiane Florin / © privat

Das Buch wirkt aus der Zeit gefallen. "Weiberaufstand", heißt es – auf knalligem Pink steht "Warum Frauen in der Kirche mehr Macht brauchen", darunter das Venussymbol, das in den achtziger Jahren auf feministischen Fahnen wehte, heute aber nur noch als Mode-Accessoir bei H&M für einen Spottpreis zu haben ist. Sofort denkt man an Uta Ranke-Heinemanns Bestseller "Eunuchen für das Himmelreich. Katholische Kirche und Sexualität". 1988 erschien das Buch und entfachte eine Diskussion, die emotional so aufgeladen war, dass die Fetzen flogen. Frauen forderten mehr Macht – auch in der katholischen Kirche. Ein letzter Höhepunkt der heftigen Auseinandersetzung war dann 2002 die provozierende Priesterinnenweihe einiger katholischer Theologinnen auf einem Donau-Schiff. Doch heute? "Weiberaufstand" in der Kirche? Wo bitteschön soll der denn stattfinden?

Die Rolle von Frau und Mann in der Kirche neu überdenken

Christiane Florin fragt sich, warum es keine Frauen in der katholischen Kirche mehr gibt, die den Aufstand proben, weil sie sich nicht damit abfinden wollen, dass ihnen bestimmte Aufgaben und Tätigkeiten vorenthalten bleiben – konkret, dass sie von allen Weiheämtern ausgeschlossen sind. Selbst ihre Tochter findet, so schreibt sie das in ihrem Buch, dieses Thema uncool und nennt ihre Mutter "old school", wenn sie darüber schreibt. "Das hängt natürlich auch mit dem Bedeutungsverlust von Glaube und Kirche zusammen", sagt Florin, "und damit, dass es über viele Jahre innerhalb der katholischen Kirche unerwünscht und sogar gefährlich war, offen darüber zu sprechen". Eine Atmosphäre der Angst habe es gegeben und "Heckenschützen", die hinten herum alle anschwärzten, die das Thema auf die Agenda setzten. Unter Franziskus erlebt sie nun eine neue Offenheit, auch über solche Themen zu sprechen. Mit ihrem Buch will sie einen neuen Anstoß geben. Es geht ihr darum, die Rolle von Frau und Mann in der katholischen Kirche zu überdenken.

Warum Frauen in der katholischen Kirche nicht zu Weiheämtern zugelassen werden

Und da kommt sie gleich zur Sache. "Warum werden Frauen von allen Weiheämtern ausgeschlossen?" fragt sie. Weil Jesus nur Männer als seine Jünger berufen hat, so steht es in der Bibel. Und Jesus hat sich damals nicht an Gesetze und gängige Regeln gehalten, er hat das Sabbatgebot verletzt und durch Wort und Tat gegen damalige Weltbilder rebelliert. Wenn er also gewollt hätte, dann hätte er sich auch über patriarchale Strukturen hinweggesetzt und Frauen in seinen engsten Kreis geholt. "Aber führt der Weg vom Abendmahlssaal direkt zum Priesteramt?", fragt Florin kritisch, "und hat Jesus Frauen nicht immer gleichberechtigt behandelt, hat er sie nicht – gegen alle Gepflogenheiten – zu seinen wichtigsten Zeuginnen gemacht? Unter dem Kreuz, am leeren Grab waren schließlich Frauen". Christiane Florin vermisst zurzeit auch die theologische Auseinandersetzung um das Thema Frauen in der Kirche. Sie behauptet, dass die meisten - auch kirchlichen Würdenträger - die Argumentation der katholischen Lehrsätze zur Rolle der Frau in der Kirche gar nicht kennen.

Die Welt- und Kirchengeschichte ist patriarchal geprägt

Die Diskussion mit der streitbaren Autorin ist erhellend – und macht klar, dass es nur sinnvoll sein kann, die eigenen Argumente zu überprüfen – und auch die unterschiedlichen Auslegungen des Neuen Testaments kennen zu lernen. Wie ist das mit den obskuren Paulus Äußerungen, der den Frauen gebot, sie mögen am Tisch schweigen? Und was sagt die 2000jährige katholische Tradition, die bedeutenden Lehrmeinungen der Kirche, die keiner von heute auf morgen vom Tisch fegen will und kann. Schließlich hat sich auch da die Rolle der Frau immer wieder geändert. In den ersten Jahrhunderten wurde ihr nicht einmal eine Seele zugesprochen, das ist unfassbar und hat sich mit dem Konzil von Nicäa geändert. Christiane Florin erzählt in ihrem Buch auch von den Verstümmelungen junger Männer, die als singende Eunuchen die im Vatikan verbotenen Frauen ersetzen mussten. In der Kirchengeschichte hatten genau wie in der Weltgeschichte die Männer die Macht und wiesen den Frauen ihre Plätze zu. Christiane Florin sagt, da habe sich die Kirche über Jahrhunderte dem Zeitgeist des Patriarchats auf Kosten der Frauen angedient. Die Emanzipation ist für sie eine Frage der Gerechtigkeit und Wahrheit – auch in der Kirche.

Was würde sich denn ändern - wenn Frauen Priesterinnen würden?

Das stimmt. Aber muss damit gleich das Kind mit dem Bad ausgeschüttet werden? In der katholischen Kirche ist der Priester von amts wegen ein Mann, die Kirche ist weiblich, sie ist seine Braut. Damit verbunden ist ein Rollen- und Amtsverständnis, das zentral für den katholischen Glauben ist. Und sicher war es über Jahrhunderte so, dass sich aus dem Weiheamt, das dem Mann vorbehalten war, auch ein Machtanspruch abgeleitet hat. Aber genau das ändert sich zurzeit. Frauen machen auch in der katholischen Kirche Karriere, sie werden Abteilungsleiterinnen in Bistümern, sie stehen in der Hierarchie über Priester, sie haben das Sagen. Da ist die Kirche auf einem Weg, der Frauen neue Chancen eröffnet. Und was würde sich denn ändern, wenn Frauen Priesterinnen werden könnten? Christiane Florin gibt zu, gesellschaftlich würde das kaum Auswirkungen haben. Das heißt, den Bedeutungsverlust von Glaube und Gott würde das nicht stoppen oder den Gottesdienstbesuch ankurbeln, wie die Situation der evangelischen Kirche beweist. Im Gegenteil, diese einschneidende Reform würde die Einheit der Weltkirche in Frage stellen und könnte ein Schisma nach sich ziehen. Das allerdings seien taktische und kirchenpolitische Gründe, wirft Florin ein, die nichts mit der Wahrheit und Gerechtigkeit zu tun hätten. Aber lässt sich das immer trennscharf auseinanderhalten? Muss man auf der Suche nach Wahrheit, besonders wenn sie – wie in diesen Fragen – so umstritten ist, nicht immer auch die mögliche Praxis und Umsetzung berücksichtigen? Und wenn der Schaden so groß ist, gilt dann nicht im Zweifel für das Machbare, das eine Kirchenspaltung verhindert? Nein, erwidert Florin, im Zweifel gegen den Ausschluss der Frauen vom Weiheamt, es könne nicht sein, dass 50 Prozent der Menschen diese wichtigen Ämter nicht zugänglich seien. Die Diskussion wird weiter gehen – zum Glück lässt Franziskus das offene Gespräch zu. Und der eigenen Argumentation tut es gut, wenn sie sich misst und im Diskurs bewähren muss.