DOMRADIO.DE: Sie haben am Mittwochabend mit der Theologin Doris Reisinger, dem Journalisten Joachim Frank und dem Zeithistoriker Thomas Großbölting im Rahmen des Kölner Philosophie-Festivals "PhilCologne" über den Komplex "Die Kirche und der Missbrauchs-Komplex" diskutiert. Wie sehr hat denn das Thema "Köln und Kardinal Woelki" die Gesprächsrunde geprägt?
Dr. Oliver Schillings (Pressesprecher des Erzbistum Köln): Natürlich hat Köln diese Diskussion geprägt. Aber es war auch viel internationaler Blick dabei. Wir haben über andere Bistümer gesprochen, genauso auch über die Aufarbeitung in Australien, den USA oder Irland.
DOMRADIO.DE: Die Stimmung in Köln ist im Moment ziemlich aufgeladen, wenn es um die katholische Kirche geht. Hat sich das in der Diskussion auch gezeigt?
Schillings: Wir haben in der Kölner Südstadt diskutiert, das spürt man natürlich. Wir haben auch eine Fragerunde mit den Zuschauern gemacht. Für mich sehr positiv war das aufeinander Hören und das gegenseitige Zuhören. Das war sehr wichtig.
DOMRADIO.DE: Es wurde aber auch ganz nüchtern gefragt, was es denn bedeuten würde, wenn der Papst den Kölner Erzbischof abberuft, ob damit dann die Probleme vom Tisch seien. Wie schätzen Sie das ein?
Schillings: Dieser Schritt wird nichts lösen, das war Konsens, glaube ich. Die Aufgabe ist es, jetzt ein Miteinander zu finden. Da gilt es jetzt am Wochenende auch schon beim Diözesanpastoralrat zu schauen, wie wir miteinander die Zukunft dieser Kirche gestalten.
DOMRADIO.DE: Grundsätzlich wurde auch gefragt, ob denn die katholischen Bischöfe die richtigen seien, um die sexualisierte Gewalt an Kindern in der Kirche aufzuarbeiten, ob da nicht eine unabhängige Aufarbeitung nötig sei. Wie wurde denn diese Frage diskutiert?
Schillings: Wie alle Fragen sehr intensiv. Dass "unabhängig" bei der Aufarbeitung ein wichtiges Faktum ist, war Konsens. Das ist ja auch in anderen Gesellschaftsbereichen ein Problem. Es fiel auch das Stichwort einer Wahrheitskommission, die sich nicht nur der Aufarbeitung in der Kirche, sondern genauso in Familie, Schulen, DDR-Kinderheimen oder ähnlichem widmen sollte.
Das ist, glaube ich, ein Pfad, der noch Aufmerksamkeit und auch viel Potenzial bietet.
DOMRADIO.DE: Zur Sprache kamen auch die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Aufarbeitung. Das Bistum Münster zum Beispiel arbeitet mit Historikern zusammen. Das Erzbistum Köln arbeitet mit Juristen. Wo liegen denn da die Vor- und Nachteile?
Schillings: In vielen Bistümern sind unterschiedliche Perspektiven gewählt worden. Hildesheim zum Beispiel hat eine sozialwissenschaftliche Perspektive gewählt, ganz interessant. Wenn ich Professor Großbölting gestern richtig verstanden habe, wird er sich im ersten Teil seiner Arbeit sehr an dem orientieren, wie Professor Gerke in Köln gearbeitet hat.
DOMRADIO.DE: Dann ging es auch um die systemischen Ursachen, die für die sexualisierte Gewalt in der Kirche mitverantwortlich sind, zum Beispiel Klerikalismus. Wie wurde darüber gesprochen? War man sich einig, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht?
Schillings: Das war einer der kontroversesten Punkte an dem Abend. Mir ist ganz, ganz deutlich geworden: Wir müssen bei der Aufarbeitung, bei der Intervention und der Prävention mit aller Kraft weiterarbeiten. Die Diskussion über die systemischen Ursachen ist notwendig. Aber wir können auch nicht warten, bis ein solcher Prozess in Monaten oder Jahren zu Ende diskutiert ist.
DOMRADIO.DE: Am Ende hat Moderatorin Christiane Florin noch gefragt, was Sie tun würden, wenn Sie Papst wären, auch in Bezug auf die Kölner Situation. Was haben Sie geantwortet?
Schillings: Für mich wäre es am sinnvollsten, wenn der Papst die Erkenntnisse aus den Studien in Deutschland in den Prozess der Weltsynode einfließen lässt. Denn dann können wir gemeinsam darüber diskutieren, wie wir dieses Problem nicht nur lösen, sondern wie wir auch die Stärken der Kirche nutzen, um da eine Zukunft zu gestalten.
Das Interview führte Dagmar Peters.