DOMRADIO.DE: Wie beurteilen Sie die staatliche Forderung einer 1G-Regel für Gottesdienste in Australien?
Dr. Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW und Domkapitular): Ich glaube, dass man durch solche Zwangsmaßnahmen die Menschen nicht davon überzeugen kann, dass die Impfung etwas Sinnvolles und etwas Gutes ist – was es ohne Zweifel ist. Und deswegen werben wir ja auch dafür, dass sich Menschen impfen lassen.
Aber jetzt zu sagen, es können nur Menschen zum Gottesdienst kommen, die auch geimpft sind, das halte ich für falsch.
Wir haben uns in Nordrhein-Westfalen ganz bewusst dafür eingesetzt, dass die sogenannte 3G-Regel – geimpft, genesen, getestet – nicht automatisch für alle unsere Gottesdienste gilt, auch weil es einfach schwierig ist, das zu kontrollieren. Aber eben auch, weil es um ein Grundrecht geht und Menschen die Möglichkeit eröffnet sein soll, zum Gottesdienst zu kommen.
DOMRADIO.DE: Auf der anderen Seite rufen vom Gemeindepfarrer bis zum Papst alle eindringlich zum Impfen auf. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bätzing hat jüngst noch mal an alle Ungeimpften appelliert, zusammen mit der Bundeskanzlerin. Die Kirche hat da ja eine ganz klare Position…
Hamers: Ohne Frage. Es ist für uns ein Ausdruck der Solidarität, sprich der Rücksichtnahme auf den jeweils anderen und damit eben auch der Nächstenliebe, sich impfen zu lassen. Die Impfstoffe, die da sind, sind geprüft. Und, wie Sie gesagt haben, der Heilige Vater und auch die Bischöfe werben dafür, sich impfen zu lassen, weil es ganz wichtig ist, unsere Schwächsten auch zu schützen. Und das sind jetzt vor allem eben noch Kinder und Jugendliche.
Es ist davon auszugehen, dass jeder, der sich nicht impfen lässt, über kurz oder lang sich mit dem Corona-Virus infizieren wird. Und das wiederum schränkt die Gesellschaft insgesamt ein, belastet unsere Krankenhäuser, belastet unser Gesundheitssystem. Und nicht zuletzt kann es auch zum Tod für die Betroffenen führen.
DOMRADIO.DE: Sie sind im permanenten Austausch mit der Landesregierung, mit dem Parlament. Sind Sie, sind die Kirchen, gut vorbereitet, wenn die Corona-Situation sich im bald beginnenden Herbst noch einmal verschärfen sollte?
Hamers: Wir haben eine ganze Menge Erfahrungen gesammelt in den letzten Monaten, wie wir Pandemie-sicher Gottesdienste feiern können, wie wir bestimmte Hygienemaßnahmen einhalten können, und insofern sind wir auch auf eine erneute Verschärfung sicherlich gut gerüstet. Und es ist für uns ganz wichtig, dass weiterhin auch Gottesdienste mit der Öffentlichkeit gefeiert werden können.
Angesichts der Erfahrungen, die wir gemacht haben und auch angesichts dessen, dass wir auch dokumentiert haben, dass wir sicher Gottesdienste feiern können, bin ich da relativ gelassen, was die Gottesdienst-Frage angeht.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja auch Domkapitular in Münster, also einer der Domherren, der die Liturgie im Paulus-Dom mitverantwortet. Was ist da Ihr Eindruck in den Gemeinden vor Ort?
Hamers: Also zumindest im Dom zu Münster kann ich sagen, dass wir wieder einen ganz guten Gottesdienstbesuch haben. Wir haben da ganz bewusst die Bänke auseinandergezogen, damit die Menschen einfach immer auf Abstand gehen können. Da funktioniert es ganz gut.
Ich weiß aber aus einer ganzen Reihe von Gemeinden, dass viele Leute weiterhin wegbleiben und dass es sehr, sehr schwer ist, sowohl das gottesdienstliche wie auch das gemeindliche Leben wieder richtig ans Laufen zu bringen. Denn die Gottesdienste sind für uns natürlich ein wichtiger Aspekt, aber nicht der einzige Aspekt. Es geht hier zum Beispiel auch um den großen Bereich unserer Kinder- und Jugendarbeit.
Es geht auch um unsere Gruppen und Verbände; und das ist schon schwierig, das wieder in die Gänge zu bekommen. Und eine ganz schwierige Situation ist es nach wie vor für unsere Kirchenchöre. Das hat sich deutlich verbessert. Wir haben auch da die 3G-Regel. Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann natürlich auch wieder singen. Aber es ist auch Tatsache, dass manche Kirchenchöre, die vielleicht auch vorher überaltert waren, leider an ihr Ende gekommen sind.
DOMRADIO.DE: Ihre ganz persönliche Meinung: Glauben Sie, dass das in absehbarer Zeit wieder wie vor Corona wird sein können, aber ohne Abstand, ohne Masken und alle Vorsorgemaßnahmen in den Gottesdiensten?
Hamers: Also bestimmte Hygieneregeln werden sich weiter durchsetzen oder die werden wir fortsetzen. Die halte ich auch für ganz sinnvoll. Also zum Beispiel, dass man sich, bevor man den Menschen die Kommunion reicht, sich nochmal die Hände wäscht oder auch desinfiziert. Das fand ich vorher schon zum Teil etwas grenzwertig.
Ich glaube auch, dass es den Menschen dadurch, dass sie jetzt mehr als anderthalb Jahre auf Abstand gegangen sind, schwerfallen wird, sich wieder so eng und so nahe zueinander zu setzen. Ich glaube, dass das noch weiter fortgesetzt wird.
Und ich glaube auch, dass insbesondere dann auch im Herbst und im Winter, wenn die Grippesaison beginnt, die Menschen auch wieder zur Maske greifen werden. Ich glaube, bestimmte Dinge werden sich fortsetzen. Ich hoffe aber natürlich darauf, dass das gesamte gesellschaftliche Leben, das soziale Leben, möglichst ungezwungen wieder fortgesetzt werden kann.
Das Interview führte Hilde Regeniter.