DOMRADIO.DE: Statt an ihrem Feiertag in die Synagoge gehen zu dürfen, mussten die jüdischen Gemeindemitglieder Jom Kippur in Angst verbringen. Das ist so, als würden Christen an Weihnachten oder Ostern nicht in die Kirche dürfen. Was bedeutet das für Sie als langjähriger Pfarrer in Hagen?
Dr. Norbert Bathen (bis 9/2021 Gemeindepfarrer des Pastoralen Raums Hagen-Mitte-West): Das ist natürlich ganz schlimm, dass so etwas passiert. Und es darf nicht passieren. Und wir müssen natürlich alle mit der jüdischen Gemeinde solidarisch sein, ihnen unser Mitgefühl bezeugen, dass wir an ihrer Seite stehen und dass wir natürlich alles tun müssen, dass solche Ereignisse nicht stattfinden.
DOMRADIO.DE: Hagens Oberbürgermeister Erik Schulz versicherte der jüdischen Gemeinde seine Solidarität. Was wird jetzt wichtig sein in der Stadt?
Bathen: Dass man zusammensteht, denke ich, auch über die Religionsgrenzen hinweg. Das haben wir ja auch in früheren Zeiten schon öfters immer mal versucht, solche interreligiösen Begegnungen auch durchzuführen. Es war aber immer schwierig. Natürlich konnten Christen und Juden schon mal was machen. Aber die Versuche, mit Muslimen für interreligiöse Treffen in Verbindung zu kommen, waren immer schwierig. Das muss ich schon sagen.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie solche Meldungen wie jetzt aus Hagen hören, was bedeutet das für die Religionsfreiheit bei uns in Deutschland?
Bathen: Beschuldigt wird ja hier ein Syrer. Ich glaube, dass das eher ein politisches Problem ist als ein religiöses. Das ist erst mal nur meine Vermutung. Aber wenn Sie mal im Nahen Osten gewesen sind, dann wissen Sie, wie groß der Hass dort zwischen den Juden und den Arabern ist. Durch die Migration wird natürlich dieser Antijudaismus hier mit nach Deutschland importiert. Ob dieser Antijudaismus da also mehr einen politischen Hintergrund hat, möchte ich mal zur Diskussion stellen.
DOMRADIO.DE: In Hagen haben etwa 43 Prozent der Menschen eine Migrationsgeschichte. Beobachten Sie ein Problem gegenüber andersdenkenden Juden oder Christen?
Bathen: Die jüdische Gemeinde sagt das so. Die haben ja auch in der Vergangenheit gesagt, dass sie Angst haben, mit der Kippa, der religiösen Kopfbedeckung, durch die Stadt zu gehen. Das war früher nicht so, das hat zugenommen. Hagen ist jetzt nicht das rechtsradikale Umfeld, da gibt es andere Städte, auch im Ruhrgebiet, die einen stärkeren Anteil rechtsradikal gesinnter Menschen haben. Das ist in Hagen, glaube ich, nicht so das Thema, das Thema Migration aber schon. Das merkt man ja auch, wenn man in der Stadt unterwegs ist, man sieht es ja am Äußeren. Dass das Stadtbild entsprechend durchmischt ist, das kann man schon feststellen. Und ich glaube, dass die Integration da nicht noch nicht so ist, wie sie eigentlich sein sollte.
Das Gespräch führte Carsten Döpp; dies ist die Verschriftlichung eines mündlichen Interviews.