DOMRADIO.DE: Wohnungslose Menschen müssen sich selbst um ihre Wahlunterlagen kümmern. Was genau müssen die tun?
Ralf Promper (Einrichtungsleiter der Kontakt- und Beratungsstelle für Wohnungslose am Hauptbahnhof Köln, Sozialdienst katholischer Männer): Sie müssen ins Wählerverzeichnis eingetragen werden. Leute, die auf der Straße leben, haben natürlich keine amtliche Meldeadresse. Für Köln heißt das: sie müssen den Nachweis erbringen, dass sie sich bereits seit drei Monaten in Köln aufhalten und regelmäßig dort sind. Ein Nachweis ist zum Beispiel eine postalische Erreichbarkeitsadresse, die wir den Menschen ausstellen. Damit wird dann belegt, dass sie in Köln wählen gehen können.
DOMRADIO.DE: Sie vom Sozialdienst katholischer Männer stellen die Adresse zur Verfügung und damit geht das dann?
Promper: Genau, wir sind quasi der Briefkasten für die Leute. Der wird auch von vielen Leuten hier direkt am Kölner Hauptbahnhof genutzt. Wir haben etwa 300 Nutzer der Postadresse. Für die Wahl müssen wir dann noch vermerken, dass die Leute tatsächlich seit drei Monaten hier in Köln leben. Dann können die Menschen zum Wahlamt und dort die Beantragung machen, um ins Wählerverzeichnis zu kommen. Dann haben sie die Möglichkeit, entweder am Wahltag direkt zu wählen, aber auch - was viele unserer Leute gerne machen - die Möglichkeit einer Briefwahl. Dann können sie vorher in Ruhe gucken, wen sie wählen.
DOMRADIO.DE: Wählen ohne amtliche Meldeadresse geht also, aber es gibt eine Hürde. Schreckt das viele ab?
Promper: Also der Normalbürger, der bekommt den Zettel zugeschickt. Wir hingegen müssen frühzeitig einen Aushang machen, mit den Informationen von der Stadt Köln, vom Wahlamt, damit die Leute informiert sind. Die Hürden sind, sie müssen sich kümmern, die müssen tatsächlich aktive Wege gehen bis zum Wahlamt.
Unsere Aufgabe ist es letztendlich zu gucken, dass die Leute über die Wahl informiert sind und dafür haben wir immer die schönen Aushänge. Aber wir haben auch einen Kontaktstellenbereich, wo die Leute zum Mittagessen hinkommen oder einen Kaffee trinken und da streuen wir die Infos natürlich auch unter die Leute: "Demnächst ist wieder eine Bundestagswahl. Habt ihr Interesse?"
DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie das denn in ihrer täglichen Arbeit und im Kontakt mit den Betroffenen – haben sie grundsätzlich Interesse?
Promper: Es ist wie bei jedem normalen Bürger: das ist ganz unterschiedlich. Wir haben ein paar Leute, die sind politisch sehr interessiert. Die fragen tatsächlich schon zwei Monate vor der Wahl: "Habt ihr schon was bekommen und wie sind dann die Schritte? Was muss ich machen?" Das ist aber ein verschwindend geringer Teil. Der Großteil der Leute – ich sage mal ganz platt – die haben andere Probleme, um die sie sich kümmern müssen. Die fühlen sich auch zum Teil von der Politik abgehängt und denken, sie sind nicht im Blick der Parteien.
Ich kann vielleicht mal ein paar Zahlen nennen. Ich betreue zwei Kontakt- und Beratungsstellen. Dieses Jahr haben sich in Ehrenfeld vier Leute für eine Wahl interessiert. Bei uns am Hauptbahnhof waren es fünf Leute, von denen ich auch ausgehe, dass die tatsächlich zur Wahl gehen, wenn sie nicht schon Briefwahl gemacht haben.
Bei uns haben ungefähr 300 Leute am Bahnhof eine Postadresse. Allerdings sind da auch viele Leute dabei, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Ich sage mal, es sind ungefähr drei bis fünf Prozent der Menschen mit Wahlinteresse.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie Ihre Aufgabe denn auch darin, die Leute zur Wahl zu ermutigen?
Promper: Es ist ein sehr langwieriger Prozess. Ich bin jetzt seit 15 Jahren im Geschäft und wir machen es immer, immer wieder. Aber ich merke, die Leute sind einfach müde, was die Politik angeht. Es ist ganz viel Engagement gefragt, um die Leute immer wieder darauf hinzuweisen und zu sagen: ihr habt da eine, wenn auch kleine Möglichkeit, tatsächlich mal eure Stimme abzugeben.
DOMRADIO.DE: Gibt es vonseiten der Behörden oder der Politik etwas, was sie sich wünschen, was den Menschen die Stimmabgabe erleichtern würde?
Promper: Was wir seit Jahren immer mal wieder gemacht haben, ist, dass wir tatsächlich Politiker in unsere Einrichtungen eingeladen haben. Das war gut, weil da konnten die Leute den Politikern sagen, was für Themen ihnen unter den Nägeln brennen. Aber auch da war es schwer, unsere Leute zu motivieren, tatsächlich diesen Kontakt zu suchen. Aber die Politiker, die da waren, die haben zumindest einiges mitgenommen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.