"Auf jeden Fall habe ich das Gefühl, wir haben es nicht immer richtig gemacht", sagte Bedford-Strohm in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er verwies dabei auf mangelndes Vertrauen in die von den Kirchen eingesetzten Gremien. Manche der Betroffenen hätten nicht das Vertrauen, "dass die Kirche energisch aufklärt". Dies gelte "trotz aller ehrlichen Bemühungen".
Man habe verkannt, dass die Kommissionen, die erlittenes Unrecht anerkennen und finanzielle Leistungen auszahlen, mit anderen Strukturen ergänzt werden müssten, sagte der bayerische Landesbischof. Diese müssten die institutionelle Aufarbeitung stärker in den Blick nehmen. "Wenn wir ihr Vertrauen nicht haben und auch nicht gewinnen können, müssen wir Hilfe von Menschen von außen annehmen", sagte Bedford-Strohm.
Aus Fehlern gelernt und Konsequenzen gezogen
Er unterstrich, dass die Kirche aus diesen Fehlern gelernt und Konsequenzen gezogen habe. "Wir sind jedenfalls bereit, alles offenzulegen, was rechtlich offengelegt werden kann", sagte er und ergänzte: "Niemand hat ein Interesse an Vertuschung. Im Gegenteil: Wir wollen selbst über diese schrecklichen Dinge in unserer Kirche Bescheid wissen."
Es sei jedes Mal wieder "unfassbar, wenn ich Betroffenen gegenübersitze und höre, was ihnen angetan worden ist", sagte der 61-Jährige, der sich im November vom Amt des Ratsvorsitzenden zurückzieht. Nach seinen Worten lernt die Kirche aus der Kritik betroffener am Aufarbeitungsprozess. "Dazu gehört auch anzuerkennen, dass die Situationen und Erwartungen der Betroffenen sehr unterschiedlich sind."
Betroffenenbeirat nicht aufgelöst, sondern ausgesetzt
Im Mai hatte die EKD das vorläufige Aus des Betroffenenbeirats bekanntgegeben, der die Aufarbeitung in der evangelischen Kirche kritisch begleiten sollte. Grund waren nach Angaben der EKD und von Betroffenen Rücktritte aus dem zwölfköpfigen Gremium, interne Konflikte und Dissens zwischen dem Betroffenenbeirat und dem Gegenüber auf EKD-Seite, dem Beauftragtenrat.
Bedford-Strohm unterstrich, dass der Beirat nicht aufgelöst, sondern ausgesetzt worden sei. Nach seinen Worten soll im Rahmen einer externen Expertise zusammen mit den Mitgliedern des Beirats "eine bessere Struktur gefunden werden". Dabei gehe es um eine Neuausrichtung der Betroffenenpartizipation, sagte er. "In der Zwischenzeit bieten wir den Beiratsmitgliedern an, einzeln oder in Gruppen durch Stellungnahmen ihre Perspektive in laufende Entscheidungsprozesse oder auch die Synode einzubringen."
Lob für Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel
Lobende Worte fand Bedford-Strohm für Angela Merkels (CDU) Kurs in der Flüchtlingspolitik im Jahr 2015. "Es war ein Segen, dass 2015 ein Mensch an der Spitze unseres Landes stand, der trotz aller politischen Schwierigkeiten und Risiken, die damit verbunden waren, der Humanität den Vorrang gegeben hat", sagte der bayerische Landesbischof. Das sei ein guter Grund, "sie als Regierungschefin zu vermissen", sagte er mit Blick auf die Kanzlerin, die bei der Bundestagswahl am Sonntag nicht erneut kandidiert.
Bedford-Strohm, der als Bischof vor Ort in München 2015 die Ankunft Zehntausender Schutzsuchender miterlebte, sagte, ihm gefalle nicht, "wie einige im Nachhinein schlecht machen, was sowohl die Regierungen als auch viele Menschen in den Behörden, Verwaltungen, Ländern, Kommunen und vor allem Ehrenamtliche geleistet haben". Natürlich sei es eine Kraftanstrengung, innerhalb so kurzer Zeit die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen. "Umso mehr war es eine Glanzstunde der deutschen Geschichte, dass Deutschland geholfen hat", sagte er.
Integration von Flüchtlingen Glanzstunde der Wirtschaft
Genauso sei es eine Glanzstunde der Wirtschaft gewesen, so viele Menschen zu integrieren, "die wir als Fachkräfte ja auch brauchen", sagte Bedford-Strohm. "Ich habe das selbst erlebt: Die wichtigste Bezugsperson meines Vaters in seinem letzten Lebensjahr im Pflegeheim war neben der Familie ein irakischer Flüchtling, der als Pfleger für ihn zum Segen geworden ist."
Die Flüchtlingspolitik war eines der Hauptthemen von Bedford-Strohm als Repräsentant der Protestanten in Deutschland. "Unser konkretes humanitäres Engagement wird gewürdigt und hat auch etwas bewegt", zeigt er sich rückblickend überzeugt. "Ohne die Kirchen, sagen viele Menschen, hätten wir die Aufnahme 2015 nicht geschafft", sagte er. Auch die Stimme der Kirchen habe Gewicht. "Wir haben eine ganz andere Stimmung in Deutschland als etwa in Ungarn. Das hat auch damit zu tun, dass die Kirchen hierzulande klar Flagge gezeigt haben", sagte er.