Crisann Holmes möchte sich keinesfalls impfen lassen, obwohl sie im Gesundheitswesen für einen Arbeitgeber tätig ist, der psychisch Kranke betreut. Als dieser von ihr einen Impfnachweis verlangt, beruft sie sich auf religiöse Gründe. "Lasst uns uns von allem reinigen, was Körper und Geist verunreinigt", begründete sie ihre Impfweigerung mit einem Zitat aus dem Neuen Testament. Ihrem Arbeitgeber reichte das nicht, er verlangte die Bescheinigung einer Kirchengemeinde.
Bei Pfarrer Jackson Lahmeyer hätte Holmes leichtes Spiel. Gegen eine Spende können Impfgegner Mitglied seiner unabhängigen Sheridan Church in Tulsa im Bundesstaat Oklahoma werden. Der 29-jährige stellt danach gerne eine Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber zwecks Impfbefreiung aus religiösen Gründen aus.
Das "Modell Lahmeyer" funktioniert: Der Mann, der 2022 bei den Vorwahlen der Republikaner für einen Senatssitz antritt, hat nach eigenen Angaben schon 35.000 Anfragen erhalten - in nur drei Tagen.
Klare Worte von Franziskus
In der katholischen Kirche in den USA kommt es ganz auf die jeweilige Diözese an, ob Priester eine solche Bescheinigung ausstellen oder nicht. Die Haltung von Papst Franziskus hingegen ist eindeutig: Die Impfung sei ein "Akt der Nächstenliebe" betonte er schon zu Jahresbeginn. Erst in der vergangenen Woche äußerte Franziskus Unverständnis über eine weit verbreitete Corona-Impfskepsis.
Selbst im Kardinalskollegium gebe es "einige Verweigerer", sagte er auf dem Rückflug von Bratislava nach Rom. Einer sei erst kürzlich an Covid-19 erkrankt, so der Papst, ohne den betroffenen US-Kardinal Raymond Burke beim Namen zu nennen. Dieser ist inzwischen auf dem Weg der Besserung, war jedoch zwischenzeitlich an ein Beatmungsgerät angeschlossen und tagelang nicht bei Bewusstsein.
Der Kardinal gilt als dezidierter Kritiker einer restriktiven Corona-Politik und Impfskeptiker und gehört zu der kleinen, aber lauten Minderheit, die Ausnahmen beim Impfen bescheinigen möchte. Dazu zählen unter anderen auch die Bischöfe von Colorado, South Dakota und Gallup.
Verweigerungen von religiösen Ausnahmen
Bischof Robert McElroy von San Diego übernahm innerhalb der nationalen Bischofskonferenz (USCCB) hingegen die Rolle des Vorreiters bei der Verweigerung von religiösen Ausnahmen. Er wies alle seine Priester an, diesbezügliche Anfragen abzulehnen. Bischof John E. Stowe von Lexington setzte ein halbes Dutzend Kirchenmitarbeiter vor die Tür, die sich hartnäckig gegen die Impfung wehrten.
Eindeutig positionierten sich auch die einflussreichen Erzdiözesen von Chicago und Philadelphia. Beide wiesen ihre Priester an, ihren Gemeindemitgliedern, die sich aus religiösen und moralischen Gründen nicht impfen lassen wollen, nicht zu helfen.
Aus der katholischen Morallehre lasse sich keine Rechtfertigung für die Ablehnung von Impfungen aus religiösen Gründen ableiten, erklärte der Erzbischof von Chicago, Kardinal Blase Cupich. Vorrang habe stets die Nächstenliebe. Ausnahme-Bescheinigungen für den Arbeitgeber werden auch in den Bundesstaaten Kalifornien und New York nicht von der katholischen Kirche ausgestellt.
Keine rechtsverbindlichen Vorgaben
Auch andere Religionsgemeinschaften ringen mit Impf-Verweigerern in den eigenen Reihen. Als Kernproblem erweist sich in der Praxis die Frage, wie religiöse Ausnahmen zu begründen sind, da es dafür keine rechtsverbindlichen Vorgaben gibt.
Nach bislang rund 680.000 Corona-Toten und massiven wirtschaftlichen Schäden nimmt die Geduld der Öffentlichkeit mit Impfverweigerern ab - auch denen gegenüber, die ihre Weigerung religiös begründen. Das liegt unter anderem daran, dass die USA mit einer Quote von 55 Prozent Zweitgeimpften noch weit von der erstrebten Herden-Immunität entfernt sind. Waren es im März noch 56 Prozent der US-Bevölkerung, die laut einer Befragung des "Public Religion Research Institute" (PRRI) für religiös begründete Ausnahmen plädierten, sank die Zahl im Juni auf 52 Prozent.
Das alles ficht Crisann Holmes nicht an. Ihr Arbeitgeber pocht weiterhin auf eine Impfbescheinigung. Inzwischen ließ sie sich daher ein Papier von einer evangelikalen Kirche in Greenville ausstellen. Ob ihr Arbeitgeber dies anerkennt, weiß sie noch nicht.