Schmale Häuser mit bunten Fassaden, schnurgerade Kopfsteinpflaster-Gassen und Kanäle, auf denen Touristenboote schippern - das schleswig-holsteinische Friedrichstadt bietet Bilderbuchkulisse.
Heute wird die südlich von Husum gelegene, knapp 15 Kilometer von der Nordseeküste entfernt gelegene Ortschaft vor allem als "Holländerstadt" beworben; die Gastronomiebetriebe tragen Namen wie "Holländische Stube" oder "Klein Amsterdam". All das deutet auf die ungewöhnliche Geschichte der Siedlung hin, die in diesem Jahr ihr 400-jähriges Bestehen feiert und auch als Ort von Toleranz und außergewöhnlicher religiöser Vielfalt gilt.
Als offizieller Gründungstag gilt der 24. September 1621
Verantwortlich dafür ist Gründer und Namensgeber Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorf (1597-1659), der protestantische Remonstranten aus Holland anwarb. Weil sie in ihrer Heimat wegen ihres Glaubens verfolgt wurden, garantierte ihnen der Herrscher Religionsfreiheit - zur damaligen Zeit ungewöhnlich im evangelisch-lutherisch dominierten Norden.
Der Schritt erfolgte gleichwohl nicht ohne Hintergedanken: Mit ihren Erfahrungen im Wasserbau und im Handel sollten die Holländer für Friedrich zwischen den Flüssen Eider und Trene eine Handelsstadt von weltweiter Bedeutung errichten - was sie auch versuchten. Als offizieller Gründungstag gilt der 24. September 1621.
Zwar blieb der erwartete wirtschaftliche Erfolg aus. Um Friedrichstadt zu weiterer Größe zu verhelfen, erhielten in den Jahrzehnten nach der Gründung jedoch weitere Gemeinschaften das Recht auf freie Ausübung ihrer Religion. Katholiken, Mennoniten, Quäker, Zeugen Jehovas, Juden und andere siedelten sich an. Zeitweise zählte die Stadt 13 verschiedene Konfessionen bei gut 2.000 Einwohnern, die friedlich zusammenlebten.
Keine Glaubensgemeinschaft bevorzugt
So gab und gibt es bis heute keine Hauptkirche auf dem Marktplatz des am Reißbrett geplanten Ortes. Weil keine Glaubensgemeinschaft bevorzugt werden sollte, mussten die Gotteshäuser in Nebenstraßen errichtet werden, erklärt Edda Schüning, die in Holländertracht eine Touristengruppe durch das historische Zentrum führt.
Zweiter Stopp ihrer Tour ist nach dem Marktplatz die Remonstrantenkirche, zu der bis heute rund 180 Mitglieder zählen. Die Gemeinschaft entstand durch ein Zerwürfnis innerhalb der reformierten Kirchen in den Niederlanden. Ihre Anhänger wiesen die Überzeugung der Calvinisten zurück, das Schicksal des Menschen sei von Gott vorherbestimmt, und betonten stattdessen die Willens- und Glaubensfreiheit.
Weltweit erste Kirche der Remonstranten
Im Friedrichstädter Exil entstand die weltweit erste Kirche der Remonstranten - bis heute das einzige Gotteshaus der Gemeinschaft außerhalb der Niederlande. Der Bau aus der Gründungszeit wurde jedoch - wie so viele historische Bauten der Stadt - 1850 in dem damals schwelenden Konlfikt zwischen Deutschen und Dänen zerstört; die gegenwärtige Kirche stammt von 1854. "Wo der Geist des Herrn weht, da ist Freiheit", steht über der Eingangstür.
Der Innenraum ist bis auf einen Kronleuchter und einige verzierte Kapitelle völlig schmucklos. Nicht mal ein Kreuz oder ein Altar sind zu finden - ein Ausdruck der remonstrantischen Konzentration auf das Wesentliche, das Wort Gottes.
Zwölf Mal im Jahr reist ein Pastor aus den Niederlanden an, um Gottesdienst zu feiern. Gepredigt wird inzwischen auf Deutsch. Aber das Vaterunser und der Segen werden weiterhin auf Niederländisch gesprochen, weiß Stadtführerin Schüning zu erzählen.
Mennoniten in Friedrichstadt vertreten
Auch die ebenfalls aus Holland stammenden Mennoniten sind heute noch in Friedrichstadt vertreten - mit rund 30 Mitgliedern. Die Gemeinde der dänischen Lutheraner darf ihre Kirche, die sich im Anbau eines alten Speicherhauses befindet, mitbenutzen. Neben einer deutschen lutherischen Gemeinde gibt es weiterhin auch eine katholische. Sie war bei ihrer Gründung 1624 die erste katholische Gemeinde, die nach der Reformation in Schleswig-Holstein entstand.
Juden sind seit der Nazi-Zeit nicht mehr ansässig. Die damals geschändete Synagoge wird heute als Kultur- und Gedenkstätte genutzt.
Ihr 400-jähriges Bestehen will die "Holländerstadt" vom 24. bis 26. September mit einem Festwochenende feiern. Geplant ist auch - wie könnte es in der Stadt der Religionsfreiheit anders sein - ein ökumenischer Gottesdienst.