Kritischer Blick auf die Kraftstoffkrise in England

Auswirkungen auf die Seelsorge?

Solche Bilder kennt man eher aus Schwellenländern: Lange Schlangen an den Tankstellen in England. Der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in London sieht durch den Mangel in den Lieferketten auch Auswirkungen auf das Weihnachtsfest.

Spritmangel in Großbritannien: Es fehlt an LKW-Fahrern (dpa)
Spritmangel in Großbritannien: Es fehlt an LKW-Fahrern / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ist es Ihnen denn in letzter Zeit passiert, dass Sie im Supermarkt nicht das bekommen haben, was Sie eigentlich haben wollten?

Andreas Blum (Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in London): Am Montagmorgen war ich im örtlichen Supermarkt und wollte Milch kaufen und die war dann tatsächlich "out of stock", also war nicht geliefert worden. Abends, als ich dann nochmal in den Supermarkt ging, war sie dann da. Das ist so im Moment die Erfahrung. Es kann schon mal sein, dass das, was man gerne haben möchte oder sonst einfach auf dem Heimweg mitnahm, jetzt nicht so jederzeit und überall verfügbar ist.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es aus bei Ihnen mit dem Benzin? Können oder dürfen die Tankstellen in London noch verkaufen?

Blum: Also dürfen, dürfen sie natürlich schon. Die Frage ist, ob Sie können. Gestern sind wir nochmal mit unseren beiden Wagen, die von der Gemeinde aus unterhalten werden, an der Tankstelle gewesen und haben auch problemlos volltanken können. Aber es gibt andere Tankstellen, die gesperrt sind. Das scheint vor allem ein Problem in den Innenstädten und in den Ballungsgebieten zu sein. In den ländlichen Gebieten ist die Situation wohl wesentlich entspannter.

DOMRADIO.DE: Ich hatte nach dem Dürfen gefragt, weil wir hier Bilder mitbekommen, dass das Benzin rationiert werden soll.

Blum: Es sind natürlich alle möglichen Ideen ausgetauscht worden, wie man der ganzen Krise, die vor allem eine LKW-Fahrer-Krise ist, begegnen kann. Es geht nicht darum, dass nicht genug Sprit da wäre, sondern es geht um LKW-Fahrer und deshalb trifft es Supermärkte und Tankstellen und andere Firmen, die mit Lieferketten zu tun haben, besonders. Da werden alle möglichen Ideen gerade ausgetauscht. Eine war tatsächlich, dass eben nur noch an Menschen und Arbeiter in Schlüsselpositionen Benzin verkauft werden sollte oder dass nur 30 Liter verkauft werden sollten. Alle solche Dinge aber, die sind nicht umgesetzt worden.

Man versucht auf anderen Wegen jetzt der Krise Herr zu werden, indem man zum Beispiel Armeeangehörige, die in LKW-Fahrten trainiert sind, einsetzt. Man versucht 5.000 Visas auszustellen, um damit Leute anzuwerben. Oder man setzt auch das Wettbewerbsrecht außer Kraft. Die Ölkonzerne dürfen sich im Moment untereinander absprechen, welche Regionen besonders hart betroffen sind und wer welche Regionen am besten beliefern kann. Das sind also die Maßnahmen, die im Moment ergriffen werden. Und vor allem eins noch: Was auch oft als Kern des Problems hier im Lande bezeichnet wird, ist die Tatsache, dass die staatliche Zulassungsbehörde in Corona- und Lockdown-Zeiten viel zu wenig Fahrprüfungen zugelassen hat. Da will die Regierung natürlich auch gegensteuern.

DOMRADIO.DE: Aber wenn ich sie richtig verstanden habe, dann sehen Sie Ihre Hausbesuche, die Sie mit dem Fahrzeug auch außerhalb von London machen, im Moment nicht Gefahr. Also Ihre seelsorgliche Arbeit ist nicht beeinträchtigt?

Blum: Nein, also ich werde durchaus noch meine Arbeit aufrecht erhalten können. Wobei, nächste Woche habe ich eine weitere Fahrt nach Cornwall vor. Hin werde ich kommen und ich hoffe, dass ich dann auch wieder zurückkomme.

DOMRADIO.DE: SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte dazu, dass die Briten mal lieber in der Europäischen Union geblieben wären. Wie wird sowas in England aufgenommen?

Blum: Es ist im Prinzip genauso wie vor dem Brexit, also diejenigen, die dafür gewesen wären, in der EU zu bleiben, die werden Scholz sofort zustimmen. Das war zum Beispiel im Guardian der Fall. Da wurde Scholz sogar auf der Titelseite mit dieser Aussage zitiert. Diejenigen, die eigentlich für den Brexit waren, sagen: "Na ja, Deutschland soll erst mal auf sich selber schauen. Da sieht die Situation auch nicht so rosig aus."

Also, wenn die Zahlen stimmen, die hier transportiert wurden, dann hat es in beiden Ländern etwa 15.000 erfolgreiche Fahrprüfungen gegeben. Der Mangel ist hier etwas größer, aber das Problem gibt es in Deutschland eben auch. Es ist leider ein bisschen so, dass dieser Grabenkampf Brexit einfach nicht zugehen will, sondern dann an solchen Stellen immer wieder aufbricht. Andersherum war es, als die Impfkampagne in Großbritannien ja wesentlich besser lief als anfänglich in der EU.

DOMRADIO.DE: Wird es jetzt bei Ihnen so mit der Verwaltung des Mangels auf unbestimmte Zeit weitergehen? Oder gibt man Ihnen einen "Freedom Day" sozusagen, wo man sagt, ab dann wird es wieder normal laufen?

Blum: Da es sich um ein strukturelles Problem handelt, ist es, glaube ich, nicht in ein, zwei Wochen gelöst und geregelt. Diese Lieferketten sind durchaus etwas komplizierter in der Wirtschaft. Man stimmt uns auch schon ein bisschen darauf ein, dass auch Weihnachten ja nicht so reibungslos laufen würde, wie wir das gewohnt sind. Wobei wir ja jetzt schon ein, zwei Jahre durch Covid-19 und dem Brexit einigen Unannehmlichkeiten und Störungen unterliegen.

Das Intervíew führte Tobias Fricke.


Pfarrer Andreas Blum / © N.N. (privat)
Pfarrer Andreas Blum / © N.N. ( privat )
Quelle:
DR