Ex-Verfassungsrichter kritisiert Kölner Muezzin-Projekt

"Erdogans verlängerter Arm"

Der frühere Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, kritisiert ein Modellprojekt in Köln zu Muezzinrufen. Er sieht darin einen "politischen Triumph" für den türkischen Präsidenten Erdogan.

Zentralmoschee in Köln / © Marius Becker (dpa)
Zentralmoschee in Köln / © Marius Becker ( dpa )

Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei die Zulassung dieses Rufs "ein politischer Triumph ersten Ranges", sagte Bertrams in einem am Dienstag veröffentlichten Interview des "Kölner Stadt-Anzeigers". Gerade in Köln gebe es viele Gemeinden der Türkisch-Islamischen Union Ditib, die der "verlängerte Arm" der türkischen Religionsbehörde Diyanet sei. Diese sei wiederum Erdogan "treu ergeben".

Bertrams bezeichnete Erdogan als Autokraten, der in der Türkei Freiheitsrechts missachte und eine nationalistisch-islamistische Expansionspolitik betreibe. Der türkische Präsident habe Zugriff auf alle Auslandsgemeinden der Ditib - "bis hin zum Missbrauch der Gemeindestrukturen für die Bespitzelung von Gegnern".

Geschehnissen in den Moscheen

Dem Juristen zufolge kommt es nicht nur darauf an, dass der Muezzin ruft, sondern auch darauf, wozu aufgerufen wird. "Konkret: Was geschieht in den Moscheegemeinden? Welche Botschaften werden dort in den Predigten beim Karfreitagsgebet verkündet?", verdeutlichte Bertrams. Hier sehe er die deutschen Aufsichtsbehörden in der Pflicht.

Die Stadt Köln hatte vergangenen Donnerstag angekündigt, dass Muezzins künftig auf Antrag und unter Auflagen zum Freitagsgebet rufen dürfen. Ein entsprechendes Modellprojekt sei zunächst auf zwei Jahre befristet.


Erdogan bei der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee / © Henning Kaiser (dpa)
Erdogan bei der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee / © Henning Kaiser ( dpa )
Quelle:
KNA