Wohl kein positiver Corona-Effekt für religiösen Buchmarkt

"Unbehagen" wird zunehmend Buchthema

In einer Woche beginnt die Frankfurter Buchmesse. Über die Entwicklung des religiösen Buchmarkts in Zeiten von Corona und die kirchliche Missbrauchskrise sprach Konrad Höß im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Ein Rosenkranz auf einem Stapel Bücher / © stoatphoto (shutterstock)
Ein Rosenkranz auf einem Stapel Bücher / © stoatphoto ( shutterstock )

KNA: Herr Höß, ist während der Corona-Pandemie das Interesse an Büchern zu religiösen Themen gestiegen oder gesunken?

Konrad Höß (Geschäftsführer des Katholischen Medienverbands KM.): Für eine endgültige Bewertung ist es momentan noch zu früh. Wir verzeichnen seit Jahren einen leichten, aber stetigen Rückgang bei den religiösen Titeln. Und natürlich bedeuteten die Lockdowns 2020 und 2021 einen empfindlichen Einschnitt beim stationären Handel. Ob und inwieweit das Plus im Onlinehandel diese Ausfälle ausgeglichen hat, können wir momentan noch nicht abschließend sagen.

KNA: Gibt es dennoch benennbare Corona-Entwicklungen?

Höß: Was wir wissen: In 2020 hat es einen verhältnismäßig starken Rückgang sowohl des Absatzes als auch des Umsatzes bei religiösen Titeln gegeben. Im ersten Halbjahr 2021 zeichnet sich eine ausgleichende Gegenbewegung ab, die aber von Nachholeffekten beim Kauf von Bibeln und insbesondere der Markteinführung der Basisbibel geprägt zu sein scheint. Ich vermute, dass Corona zumindest keinen positiven Effekt auf den religiösen Buchmarkt gehabt haben wird, in dem Sinne, dass die Leserinnen und Leser einen enorm erhöhten Bedarf an religiöser oder spiritueller Literatur entdeckt haben.

KNA: Welche Antworten gibt der religiöse Buchmarkt auf die Corona-Krise, welche Antworten auf die drohende Klimakatastrophe?

Höß: In der Tat gibt es einige Titel, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Sie analysieren die Ursachen, appellieren an die Verantwortung der Kirche, sich in diesen Fragen zu Wort zu melden und sich stärker gesellschaftlich einzumischen, wenden sich aber auch an den Einzelnen und ermutigen zu einer Revision des eigenen (Anspruchs-)Denkens. Das alles erklärt sich natürlich aus der christlichen Wertehaltung - der Verantwortung für die Schöpfung und die Mitmenschen. Hier geht man übrigens auch kritisch mit der Amtskirche zu Gericht, die nach Meinung einiger Autoren in der oder den Krisen zu wenig präsent war.

KNA: Gibt es zu Corona, Klimawandel und Christsein Titel mit hoher Nachfrage?

Höß: Ein Buch, das im vergangenen Jahr herausgekommen ist und inzwischen schon in vierter Auflage erscheint, ist das Buch "Christsein und die Corona-Krise" von Kardinal Walter Kasper. Auch gut läuft "Nach Corona: Unsere Zukunft neu gestalten" von Franz Alt. Es hängt halt oft auch davon ab, ob ein bekannter Autor sich eines Themas annimmt.

Daneben gibt es aber auch immer mehr Bücher auf dem Markt, die das grundsätzliche Unbehagen thematisieren, das viele Menschen derzeit umtreibt: die Angst aufgrund von Unsicherheiten, die mit Phänomenen zusammenhängen wie der Digitalisierung, der Globalisierung, der Schere zwischen Arm und Reich oder der gefühlten Verrohung der Gesellschaft. Da sind die Umweltproblematik und Corona nur "Brandbeschleuniger", die dieses generelle Unbehagen zusätzlich befeuern.

Eine interessante Neuerscheinung in diesem Zusammenhang ist "Verschwörungsmythen" von Michael Blume. Dort wird gut gezeigt, wie diese persönliche Verunsicherung Weltbilder erzeugt, die in sich sehr schlüssig, letztendlich aber destruktiv sind.

KNA: Was verkauft sich derzeit im religiösen Bereich besonders gut, was eher schlecht?

Höß: Allgemein kann man sagen, dass sich kirchennahe Themen immer weniger verkaufen, aber das ist eine Entwicklung, die wir schon seit Jahren beobachten. Dagegen laufen Titel zum Thema persönliche Spiritualität immer gut und auch die Bibel ist ein Dauerbrenner. Die im vergangenen Jahr erschienene Basisbibel und die neue Einheitsübersetzung werden nach wie vor gut nachgefragt.

KNA: Die Relevanz der Kirchen für das Leben vieler Menschen schwindet rapide - bildet sich dies im Buchmarkt bei klassisch kirchlich-theologischen Themen ab?

Höß: Nicht in dem Sinne, dass es nun eine geringere Vielfalt an theologischen Titeln gäbe. Aber natürlich setzen sich auch Theologen mit der Frage auseinander, worauf die nachlassende Kirchenbindung zurückzuführen ist und ob und wie man diesen Tendenzen begegnen soll - vor allem durch eine wie auch immer geartete Reform der Kirche, die vor allem von den eher "progressiven" Theologen gefordert wird.

KNA: Wie schlägt sich die Missbrauchskrise in der Kirche in Deutschland thematisch im Buchmarkt nieder? Kann man sagen, wie viele Bücher dazu bislang erschienen sind?

Höß: Eine Zahl von Titeln kann ich hier leider nicht nennen. Aber man kann schon konstatieren, dass das Thema intensiv und aus verschiedenen Blickwinkeln wie der Opferperspektive, strukturellen Missständen in der Kirche oder Möglichkeiten, wie diese Missstände zu beheben sind, beleuchtet wird. Soweit ich es sehen kann, erreichen diese Titel nicht die großen Verkaufszahlen. Ich interpretiere das so, dass man zwar das Thema aufmerksam verfolgt, aber sich nicht allzu sehr mit strukturellen Fragen und Analysen beschäftigen will. Man erwartet einfach, dass sich in der innerkirchlichen Aufarbeitung etwas bewegt.

KNA: Wie bildet sich der Reformdialog Synodaler Weg ab - wird er im Buchmarkt eher kritisch beäugt oder als hoffnungsvoller Weg gesehen?

Höß: Grundsätzlich gibt es beide Positionen, wobei die weitaus größte Mehrzahl der Publikationen eher dem "Reformflügel" zuzurechnen sind. Grundsätzlich denke ich allerdings, dass diese Bücher einen eher kleinen Leserkreis sehr engagierter Katholiken oder sehr kritischer Zeitgenossen haben werden. Zwar verfolgen viele das Geschehen aufmerksam in den Nachrichtenmedien, aber die Mehrzahl der Menschen wird sich wohl eher nicht in großer Ausführlichkeit mit diesen innerkirchlichen Themen beschäftigen.

Das Interview führte Norbert Demuth.


Konrad Höß / © Rocco Thiede (KNA)
Konrad Höß / © Rocco Thiede ( KNA )
Quelle:
KNA