DOMRADIO.DE: Sie haben schon drei Bücher rund um das Thema Kirche geschrieben. Was ist denn an dem jetzigen ganz besonders?
Jacqueline Straub (Autorin): In dem Buch ist besonders, dass ich den Menschen Mut machen will. Ich glaube, viele sind sehr resigniert und auch sehr müde geworden, sich für Kirchenreformen einzusetzen oder sich allgemein in der Kirche zu engagieren. Das Buch soll zeigen, dass sich schon was bewegt in der Kirche und es sich lohnt, noch dabei zu bleiben.
DOMRADIO.DE: Direkt im ersten Kapitel geht es nicht nur um Mut, sondern auch um Wut. Für viele passt Frömmigkeit und Wut irgendwie nicht so ganz zusammen. Sie schreiben, dass die Basis der Kirche sehr wütend sei, sprechen aber von einer positiven Wut. Wie genau meinen Sie das?
Straub: Ich glaube, man muss das differenzieren. Natürlich gibt es wütende Menschen, die laut und aggressiv sind - die aber auch nicht wahrgenommen werden von den Bischöfen, weil die Bischöfe und auch die Priester dann einfach eingeschüchtert sind.
Ich sehe in der Wut etwas Positives. Wut treibt uns an, eine bessere Welt zu schaffen oder auch eine bessere Kirche. Und darum finde ich, passt wütend und auch fromm sehr gut zusammen. Weil diejenigen, die die Kirche lieben und die die Kirche voranbringen wollen, müssen manchmal wütend sein, um die Missstände aufzudecken und voranzugehen.
DOMRADIO.DE: Wütende Frauen werden anders wahrgenommen als wütende Männer. Woran liegt das?
Straub: Frauen in Führungspositionen zum Beispiel werden nicht ernst genommen, wenn sie wütend auftreten. Die hat wohl irgendwie Probleme im Privaten, würden viele dann denken. Und Männer, die wütend sind, die werden eher als autoritär wahrgenommen und somit auch positiver eingeschätzt. Das ist nicht nur ein Problem in der Kirche, sondern auch ein gesellschaftliches Problem.
DOMRADIO.DE: Wie wirkt sich das aber gezielt in der Kirche aus?
Straub: In der Kirche ist das so, dass dann die Frauen, die wütend sind, oftmals belächelt werden. Wut wird bei Frauen immer emotional ausgelegt. Bei Männer hingegen als Stärke. Und das erlebe ich immer wieder im Gespräch mit Frauen. Frauen fühlen sich oft nicht gesehen und nicht gehört, vor allem von Männern in Verantwortung.
DOMRADIO.DE: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass die katholische Kirche in einem Reformstau steckt. Das wollen Sie nicht hinnehmen, sondern engagieren sich für eine lebendige, barmherzige und liebevolle Kirche. Wie machen Sie das?
Straub: Ich versuche auf Social Media die Menschen da abzuholen, wo sie sind. Das heißt, ich versuche keinen Menschen auszugrenzen, sondern immer zu fragen, woher kommt der Mensch und was braucht der Mensch gerade. Ich setze mich zum Beispiel auch für die LGBTQ-Community ein und dass Frauen gleichberechtigt werden.
Ich glaube, jeder kann so ein kleines Zeugnis geben, wie Kirche sein kann. Das kann auch auf andere sehr positiv wirken, vor allem auch auf Menschen, die nicht mehr in der Kirche sind.
DOMRADIO.DE: Sie bekommen wahrscheinlich auch Gegenwind zu spüren. Wie gehen Sie damit um?
Straub: Ich nehme das mit ins Gebet. Ich habe das so für mich entwickelt oder entdeckt, dass es das Beste ist, wenn ich das ins Gebet nehme und zu Gott sage: "Menschen, die andere Menschen mit so viel Hass begegnen, die haben dich, Gott, noch zu wenig erkannt". Die haben vielleicht zu wenig Liebe. Ich bete dann für die Menschen, dass Gott denen ganz viel Liebe schenkt.
Das Interview führte Michelle Olion.
Das Buch "Wir gehen dann mal vor: Zeit für einen Mutausbruch" ist im Herder Verlag erschienen und ab 18 € erhältlich.