Rosaria M.* will heiraten. Ihre Jugendliebe Philipp. Im nächsten Sommer soll es auf Sizilien, wo sie geboren wurde, ein rauschendes Fest geben. Mit vielen Verwandten und Freunden, die von überall her anreisen. Die Vorbereitungen sind bereits im vollen Gange. Nun wünscht sich die überzeugte Katholikin für die kirchliche Trauung noch die Firmung. Denn als Jugendliche hat die heute 28-Jährige damals den richtigen Zeitpunkt für den Empfang dieses Sakramentes verpasst. Das will sie jetzt rechtzeitig zur Hochzeit nachholen. Bei der Katholischen Glaubensinformation FIDES hat sie sich daher für einen Firmkurs im Frühjahr angemeldet. Zu Pfingsten wird sie im Kölner Dom gefirmt. Rosaria ist ihr Glaube wichtig. Dass mit diesem Schritt dann auch die geistliche Hinführung auf den Weg zur Ehe stimmig ist, gibt der angehenden Grundschullehrerin ein gutes Gefühl.
Paul F.* ist obdachlos und bei der Kölner Bahnhofsmission ein alter Bekannter. Früher war er mal verheiratet, hat ein bürgerliches Leben geführt. Dann hat ihn ein Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen. Irgendwann hat er alles verloren, was ihm einmal wichtig war: die Familie, seinen gut bezahlten Job, mit dem er ein auskömmliches Leben hatte, und seine Selbstachtung. Seit Jahren treibt ihn die Frage nach der Existenz Gottes und dem Sinn des Lebens um. Er selbst bezeichnet sich als Suchenden und wünscht sich die Gelegenheit zu einem Glaubensgespräch. Die Bahnhofsmission hat ihn an die FIDES verwiesen.
Zentrale Anlaufstelle für alle Milieus und Generationen
Sebastian K.* arbeitet als Germanist in der Verlagsbranche. Eher zufällig hat er für sich einen wohltuenden Ort bei den Monastischen Gemeinschaften von Jerusalem gefunden. Seit einiger Zeit nimmt er dort immer wieder an den Abendmessen teil. Er liebt die meditative Musik der Schwestern und Brüder dort sowie die Schlichtheit des Raumes und der Liturgie, obwohl er sich in der Vergangenheit nie für so etwas interessiert hat. Im Gegenteil. Der 50-Jährige war über 30 Jahre bekennender Atheist. Mit Glaubensthemen konnte er nichts anfangen, mit der Institution Kirche noch viel weniger.
Doch seit einiger Zeit kommt er hier in Groß St. Martin nach einem stressigen Arbeitstag zur Ruhe. Ihn berührt emotional, was er erlebt, und er will mehr von dem erfahren, was hinter dieser ästhetisch ansprechenden Gottesdienstgestaltung steckt. In der FIDES stößt er auf Gesprächspartner, die Zeit für seine Fragen nach Jesus Christus und der Bibel haben. Und seit Neuestem hat er klar, dass er einen Weg zurück in die Glaubensgemeinschaft seiner Kindheit finden will. Seinen Kirchenaustritt in jungen Jahren fand er damals konsequent, heute passe das nicht mehr für ihn, sagt er. Nun will er wieder dazugehören und erwägt den Wiedereintritt in die katholische Kirche.
"Das ist ganz typisch für unsere Arbeit", sagt Irmgard Conin, die Leiterin der FIDES, über die sehr unterschiedlichen Menschen, mit denen sie zu tun hat. "Wir erleben die ganze Bandbreite: alle Milieus und Generationen. Denn in Großstädten – das ist das Prinzip unserer Einrichtung – sind wir eine zentrale Anlaufstelle für alle, die wieder oder neu in Kontakt mit Kirche kommen wollen."
Gemeinsam mit Pater Sebastian Annas, Dominikanerpater an der benachbarten Innenstadtkirche St. Andreas, in der auch FIDES-Gottesdienste, die Sakramente und Wiederaufnahmen gefeiert werden, ist sie dann ansprechbar, hört, welche Bedürfnisse es gibt, und sondiert, welches Angebot der Glaubensinformation das jeweils individuell passende sein könnte. "Wir begleiten Menschen auf ihrem Glaubensweg", erklärt Conin, "und schauen, wo jemand gerade steht und was er oder sie benötigt, um für sich einen Schritt weiterzukommen. Das braucht oft seine Zeit. Aber die nehmen wir uns."
Auf der Suche nach einer Glaubens- und Wertegemeinschaft
Aus Erfahrung weiß die Diplom-Theologin und ausgebildete Pastoralreferentin, dass an der Tür der FIDES-Stelle im dritten Stock des Domforums in der Regel Menschen klingeln, die der klassischen "Gemeindelogik", wie sie das nennt – also dem an die Gemeinde gebundenen Glauben – nicht oder nicht mehr folgen.
Gefunden würden sie und ihr Kollege meist übers Internet. "Interessierte suchen nach einem Service – und nach Experten für ihre Fragen oder Anliegen. Sie möchten sich verorten in einer Glaubens- und Wertegemeinschaft und suchen Kirchenzugehörigkeit, allerdings nicht immer eine Gemeindeanbindung", so Conin.
"Zu uns kommen junge Eltern, bei denen anlässlich der Taufe, Einschulung oder Erstkommunion ihres Kindes sehr grundsätzliche Fragen nach dem eigenen Glauben aufbrechen. Oder aber der Intellektuelle Mitte 40, der nun bei seiner Nichte Pate werden will, aber selbst keine konfessionelle Zugehörigkeit hat, sich sehr eingehend mit dem Thema beschäftigt und hier für ihn nun etwas ins Rollen kommt."
Oder aber es gebe die achtköpfige Flüchtlingsfamilie aus Bosnien, die nach einem traumatisierenden Fluchterlebnis über Unterstützungsangebote an eine Pfarrei angedockt sei, hier die Erfahrung von Barmherzigkeit und einem befreienden Gottesbild mache und sich nun mit allen sechs Kindern taufen lassen wolle.
Irmgard Conin: Wer kommt, ist mit vielen Fragen unterwegs
"Das sind sehr unterschiedliche Zugänge, Bedürfnisse und auch Niveaus, mit denen wir mitunter in der FIDES konfrontiert werden", stellt Conin fest, die darauf mit einer "maßgeschneiderten Beratung und Begleitung", wie sie erläutert, reagiert. "In einem Erstgespräch versuchen wir, genau herauszufinden, wer gerade an welchem Punkt steht und ob für ihn die Vorbereitung in der Gruppe der richtige Weg ist oder – wie oft bei Wiederaufnahmen oder Konversionen – eher das Einzelgespräch."
Gerade wer früher schon einmal Mitglied in der Kirche gewesen sei, benötige heute oft eine tiefergreifende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten, weiß die Expertin. So fragten nach Wiedereintritt und Konversion eher Menschen, die die Lebensmitte erreicht oder überschritten hätten und bei denen es sich um eine über einen längeren Zeitraum gereifte Entscheidung handele.
Doch niemand kommt zufällig. Auch das ist ein Erfahrungswert. Und jeder bringe seine ganz persönliche Geschichte mit. "Gottes Wege sind oft so verrückt", resümiert die Theologin, die es immer wieder spannend findet, unmittelbar mitzuerleben, "wo der Heilige Geist im Leben eines Menschen schon am Werk ist", wie sie das nennt. "Will jemand zum Beispiel seine anstehende Trauung mit dem Empfang des Firmsakramentes vorbereiten, schwingt da oft die Sehnsucht mit, dass diese vor Gott besiegelte Partnerschaft gelingen möge."
Andere wünschten sich eine dauerhafte religiöse Beheimatung. Und wieder anderen helfe der Erfahrungsaustausch in den sehr gemischten Gruppen. "Wer zu uns kommt, ist mit vielen Fragen unterwegs. Unser Ziel ist, gemeinsam nach Antworten zu suchen und ihn oder sie im Glauben zu begleiten. So gesehen, sind wir für die meisten eine Glaubensgemeinschaft auf Zeit."
Innerkirchliche Querelen spielen bei Suche keine Rolle
"Diese Erfahrungen mit Menschen auf dem Weg sind ganz wunderbar", ergänzt Pater Sebastian. Jedenfalls für ihn persönlich immer sehr bereichernde, wie er gesteht. "Das Schönste für uns ist zu sehen, wenn jemand sich immer mehr dem nähert, was Gott sich für ihn vorgestellt hat", schildert der 63-Jährige. "Bei unserer Arbeit begegnen wir Menschen, die etwas mit Glaube und Kirche zu tun haben wollen, die in vielen Fragen hochengagiert sind." Dabei würden innerkirchliche Querelen oft überhaupt keine Rolle spielen. Er betont: "Hier geht es um das Eigentliche: nämlich um Seelsorge."
Natürlich werde Tauf- und Firmbewerbern in den Kursen auch Glaubenswissen vermittelt. Trotzdem gehe es vorrangig um die Ermutigung, eine Beziehung zu Gott aufzubauen und Wege einer Glaubenspraxis, zu der auch das Gebet gehöre, aufzuzeigen. Dabei ziehe sich die Frage nach dem Glaubensfundament, nach Jesus Christus selbst, wie ein roter Faden durch die einzelnen Gesprächsabende und Wochenendveranstaltungen. "Aber auch die zentralen Themen Leid, Schuld und Vergebung werden behandelt oder Fragen wie: Was verändert sich eigentlich, wenn ich Christ bin? Was ist mein Auftrag? Was heißt Erlösung? Welche Bedeutung haben die Sakramente? Warum musste Jesus am Kreuz sterben? Oder: Was feiern wir eigentlich an Fronleichnam?"
Pater Sebastian: Christwerden ist eine Reifeprozess
Es sei schon auffällig, schildert der Ordensmann, dass sich die meisten verstärkt an den sogenannten Wendepunkten ihres Lebens mit religiösen Fragestellungen auseinandersetzten. Bei anderen sei die Frage nach Kirchenzugehörigkeit ein schwelender Prozess, den sie nun entschieden angehen wollten. Sowohl jüngere Leute – etwa zwischen 25 und 35 Jahren – aber durchaus auch Ältere, die nach reiflicher Überlegung konvertierten oder nach einer jahrelangen Kirchenabstinenz wieder bewusst eintreten wollten, suchten vorher den intensiven Austausch über ihre Beweggründe.
Das könne innerhalb eines Kurses mit Abendeinheiten über mehrere Monate geschehen, aber eben auch in einer individuellen seelsorglichen Begleitung. Manche hätten sogar nach dem Empfang der Taufe oder Firmung noch das Bedürfnis nach einer weiteren Vertiefung in der geistlichen Begleitung oder in der Gruppe. "Wer im Erwachsenenalter getauft wird, ist ja nicht fertig mit dieser Entscheidung. Oft bleibt er nicht stehen, sondern denkt weiter", beobachtet der Seelsorger immer wieder. "Christwerden ist ein Reifeprozess, der meist mit dieser Initialzündung erst beginnt."
Das sieht auch Leiterin Irmgard Conin so. "Ich verstehe die FIDES als eine Art Glaubensschule. Wir bieten hier einen Ort, an dem sich Menschen für ihr Leben im Alltag spirituell und theologisch nähren können. Hier besteht die Gelegenheit, den eigenen Glauben zu entdecken, sich seiner zu vergewissern oder ihn zu stärken."
*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.