Eine Person in einem weißen Ganzkörper-Schutzanzug, in der Hand ein Strauß roter Blumen. Sabine Böhm-Gründel wischt auf ihrem Smartphone zum nächsten Bild: eine Schale mit Serviette, darin zwei Herzen aus Holz. "Wir wussten nicht, ob er das Wochenende überlebt", sagt die Klinikseelsorgerin der Nürnberger Erler-Kliniken.
Deshalb rief das Team der Intensivstation nach ihr und einer Standesbeamtin. Der Mann und seine Freundin wollten heiraten, nach Jahrzehnten gemeinsamen Lebens. "Eine Schwester, die frei hatte, hat die Blumen besorgt. Die Stationsleitung stand mit Wunderkerzen auf dem Balkon." Eine Woche danach habe der Patient entlassen werden können.
Diese Hochzeit auf der Intensivstation ist eines der schöneren Erlebnisse während eineinhalb Jahren Corona-Pandemie, von denen Böhm-Gründel und die anderen Seelsorgerinnen und Seelsorger erzählen.
Viele Emotionen im Spiel
Ihre Kollegin Sybille Schweiger-Krude vom Klinikum Nürnberg Nord berichtet, dass die selbstverständliche ökumenische Zusammenarbeit im Team und die Rufe nach Krankensalbung immer gehört worden seien von Geistlichen, die aushelfen mussten, weil der Priester am Klinikum ausgefallen war, just zu Beginn der Pandemie. Anton Baier, der auch im Martha-Maria-Krankenhaus im Einsatz ist, lobt die Unterstützung des Erzbistums Bamberg in der Zeit, die längst noch nicht vorbei ist.
Baier ist für die Intensivstation zuständig. Drei Tage war er erst mit dem Team auf einer Wanderung. "Ich habe kein einziges Gespräch suchen müssen", berichtet der Pastoralreferent. Auf der Intensivstation lägen aktuell wieder mehr Corona-Patienten. Und dass er lange nachdenken müsse, bis ihm ein Patient in letzter Zeit einfalle, der aus gesundheitlichen Gründen nicht habe geimpft werden können. Jene, die sich ohne Not nicht impfen ließen, setzten den Pflegenden und Medizinern zu: "Das bringt das Team noch mehr an die Kante als vorher."
Es seien viele Emotionen da, auch wenn diese Patienten genauso professionell behandelt würden wie die anderen. "Jeder, der da arbeitet, sagt: Natürlich, eine Impfung ist kein Bonbon. Aber ich mach es für mich und für Dich. Warum kommt das nicht an?"
Böhm-Gründel berichtet von Pflegekräften am Limit. Das zeige sich an Kündigungen. Und auch daran: "Ich führe viel mehr Mitarbeitergespräche." Da gebe es etwa die Pflegekraft, die Corona mit nach Hause gebracht habe und deren Mann nun unter Langzeitsymptomen leide. Dazu komme der allgemeine Pflegenotstand.
Doch Schweiger-Krude betont auch: "Seelsorge ist ein Angebot für alle Menschen, unabhängig von ihrer Religion oder Weltanschauung. Das schließt Impfgegner mit ein." Ein bisschen Überzeugungsarbeit wollen die Seelsorger dann doch leisten, berichtet ihr Kollege Baier. Nach dem Besuch bei den Patienten gebe es immer den Appell: "Lassen Sie sich impfen!"
Einiges an Improvisationstalent gefordert
Ihre Arbeit habe vor allem in der ersten Welle der Pandemie viel Improvisationstalent erfordert, erzählen die drei. Ein Patient habe nach der Krankenkommunion verlangt, berichtet Baier. Er selbst habe nicht ins Zimmer gedurft, sich aber an ein Tablet erinnert. Dies habe er einem Pfleger in die Hand gedrückt, ebenso die Hostie, eingelegt in einer Andachtsbild-Klappkarte. Per Video habe er dann die Feier abgehalten.
Mittlerweile gebe es neun solcher Tablets, unkompliziert finanziert durch das Erzbistum und einen Sponsor, so der Pastoralreferent. Dank dieser technischen Möglichkeit hätten Angehörige Sterbenden wenigstens etwas nahe sein und gemeinsam beten können. Baier spricht von "religiöser Power". Die spürt er nach eigenem Bekunden, wenn er Angehörige anrufe, unter denen viele Muslime seien. "Die meisten Menschen haben irgendwann angefangen, über ihren Glauben zu sprechen."
Die Klinikseelsorge leiste "Senfkorn-Arbeit", so beschreibt es der Pastoralreferent. Und sie sei ein Übungsort für jegliche Seelsorge: "weil ich mich auf Randsituationen und Situationen der Sprachlosigkeit einlassen muss". Gleichzeitig gebe es von der Kirchenleitung keine Vorgaben, was sie erreichen sollten - außer bei den Menschen zu sein. Und das ganz niedrigschwellig, wie Böhm-Gründel betont: "Wir fragen nicht: Was bist Du, was glaubst Du, sondern: was brauchst Du?"