Caritas fordert Ende der Instrumentalisierung von Geflüchteten

Menschen Schutz und faires Verfahren bieten

Im Streit um Geflüchtete an der Außengrenze der Europäischen Union zu Belarus geraten die Menschen selbst aus dem Blick. Die Caritas fordert, dass Polen als EU-Mitglied den Menschen Schutz und faire Asylverfahren gewährt.

Polnische Sicherheitskräfte umringen Migranten, die an der Grenze zu  / © Czarek Sokolowski (dpa)
Polnische Sicherheitskräfte umringen Migranten, die an der Grenze zu / © Czarek Sokolowski ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das Ganze funktioniert ja so, dass Menschen aus verschiedenen Ländern nach Belarus fliegen und die belarussische Regierung sie dann an die EU-Außengrenzen bringt. Außenminister Heiko Maas wirft dem belarusischen Machthaber Lukaschenko vor, Migranten als Druckmittel gegen die EU einzusetzen. Ist da was dran?

Andrea Schlenker (Referatsleiterin Migration und Integration beim deutschen Caritasverband): Ich glaube, diese unmenschliche Instrumentalisierung der Menschen ist so vielfach belegt, dass dieser Vorwurf sicher stimmt und Lukaschenko damit wirklich in die unterste Schublade greift, die man sich vorstellen kann. Ich hoffe sehr, dass die Verhandlungen der EU-Länder über weitere Sanktionen zu einem Ergebnis kommen, das Lukaschenko von diesem Vorgehen abbringen kann.

DOMRADIO.DE: Was würden zum Beispiel Grenzkontrollen, wie die Polizeigewerkschaft sie fordert, bringen?

Schlenker: Grenzkontrollen gibt es ja an der deutsch-polnischen Grenze. Der Präsident der Bundespolizei hat betont, dass sie die Situation im Griff hätten. Obwohl es eine Binnen-EU-Grenze ist, gibt es dennoch Kontrollen. Natürlich gibt es aber auch, das ist belegt, einen Anstieg der Einreisezahlen, insbesondere aber auch diesen Druck an der belarussisch-polnischen Grenze.

Der ist enorm, weil die Menschen staatlich organisiert an die Grenze verfrachtet werden. Die polnische Seite spricht von über 8 000 Menschen in den vergangenen Monaten, die vom Grenzübertritt nach Polen abgehalten wurden. Es ist aber auch das Verhalten der polnischen Stellen stark zu kritisieren. Sie haben sogar ein Gesetz erlassen, das de facto Pushbacks an der Grenze legalisiert. Sie wollen keine Zeugen. Dadurch, dass der Notstand ausgerufen wurde, dürfen keine Hilfsorganisationen oder Journalisten in das Gebiet. Entsprechend können die Schutzsuchenden da auch nicht versorgt werden.

Das wäre eine große Forderung von uns an Polen als EU-Mitgliedsstaat, die notwendige Versorgung zu leisten und den Menschen einfach Zugang zu einem Verfahren ermöglichen, sei es ein Asylverfahren oder eben, wenn sie keinen Schutzbedarf nachweisen können, entsprechend so lange sich dort unter menschenwürdigen Bedingungen aufhalten können, bis ihre Rückkehr möglich ist. Das ist insofern ein großer Appell und eine Verantwortung der polnischen Regierung, hier anders sich zu verhalten, als sie das aktuell tut.

DOMRADIO.DE: Die EU will auch Druck auf die Fluggesellschaften ausüben, die diese Flüge mit Geflüchteten durchführen. Löst das das Problem?

Schlenker: Das ist sicher ein Mittel unter anderen. Die Sanktionen, die gegenüber Belarus ja auch sonst bestehen, sollten mittelfristig greifen. Vielleicht oder hoffentlich haben die EU-Außenminister noch weitere Ideen. Der Druck auf Belarus muss erhöht werden, das steht außer Frage. Man darf aber im Gegenzug zum Beispiel den Vorschlag von Litauen nicht berücksichtigen, wonach Pushbacks in Ausnahmesituationen legalisiert werden dürfen. Das widerspricht den Menschenrechten und all dem, wofür die EU steht. Insofern wäre das ein fatales Signal, wenn die EU einem solchen Vorschlag folgen würde, für den sich aber tatsächlich schon mehrere EU-Mitgliedsstaaten ausgesprochen haben.

DOMRADIO.DE: Was bewegt Menschen denn überhaupt, auf dieser Route in die EU einreisen zu wollen, wenn die Bedingungen da so schlecht sind?

Schlenker: Sie werden ganz banal von professionellen Reiseanbieter mit bunten Bildern geworben. Sie zahlen unglaublich viel Geld in der Hoffnung, so einen Weg in die EU und vielfach direkt nach Deutschland zu finden. Das kommt sehr professionell rüber, zumal bisweilen mit einer versprochenen Einladung nach Deutschland versehen. Sie setzen darauf und folgen einer Hoffnung, dass das ein Weg ist, den man einschlagen kann, wenn man schon lange den Wunsch hat, aus dem Drittstaat womöglich zu fliehen oder eben aus dem Herkunftsstaat. Diese Hoffnung kann man auch nachvollziehen, leider wird sie aber sehr kläglich enttäuscht.

DOMRADIO.DE: Wie sieht für Sie der richtige Umgang mit den Migranten an der Grenze aus, ohne dass sie weiter zum Spielball politischer Interessen werden?

Schlenker: Polen ist hier in der Pflicht, Menschenrechte zu wahren. Wir müssen Menschen, die an die EU-Außengrenze kommen, die Chance geben, ihr Schutzgesuch stellen zu können, sie menschenwürdig unterbringen und ihnen ein faires Verfahren ermöglichen. Das ist auch angesichts einer gestiegenen Zahl möglich. Wir können und müssen aber auch natürlich zivilgesellschaftliche Unterstützung hier anbieten und viele Hilfsorganisationen stünden bereit, hier auch wirklich zu versorgen und zu helfen. Es gibt klare Regeln, wie ein EU-Mitgliedsstaat wie Polen sich verhalten sollte. Genauso sollte man versuchen, Belarus durch entsprechende Sanktionen und Druck von diesem unwürdigen Verhalten abzubringen.

Das Interview führte Hannah Krewer.


Quelle:
DR