Bischof Overbeck analysiert europäischen Blick auf deutsche Kirche

"Was macht ihr mit dem Synodalen Weg?"

Der Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland wird von der Kirche in den anderen europäischen Ländern aufmerksam bis kritisch verfolgt. Wie die Reaktionen ausfallen, erklärt Bischof Franz-Josef Overbeck im Interview.

Bischof Franz-Josef Overbeck / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Franz-Josef Overbeck / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sind auch stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Bischofskonferenz. Wie schaut denn Europa auf die deutsche Kirche gegenwärtig?

Bischof Franz-Josef Overbeck (Bischof von Essen und Vizepräsident der katholischen EU-Bischofskommission COMECE): Meine Aufgabe bezieht sich vor allen Dingen auf die Länder der Europäischen Union. Hier sehen wir, dass es viele Fragen nicht nur an Deutschland selbst gibt, politisch, wie sich das gerade nach der Bundestagswahl zeigt, sondern auch kirchlich. Es wird immer kritisch gefragt: Was macht ihr mit eurem Synodalen Weg? Was bedeutet das? Gerade angesichts der vielen Fragen, die über die Schuld einzelner Priester und solcher, die missbräuchlich tätig geworden sind, hinausgehen.

Sie fragen auch: Wie geht ihr mit den Betroffenen um? Aber auch: Wie geht ihr mit Macht und Gewaltenteilung um? Was bedeutet das?

Das sind zwar kulturspezifische Fragen, die uns auf eine besondere Weise in Deutschland beschäftigen, die aber auch in anderen Ländern eine große Rolle spielen. Man braucht nur in einige osteuropäische Länder oder in den Süden Europas zu schauen, um festzustellen, da sind große Auseinandersetzungspotenziale nicht nur zu heben, sondern auch zu befrieden.

Gleiches gilt auch für wichtige Fragen wie Geschlechtergerechtigkeit, die Beziehung von Mann und Frau und die dahinter stehende Moralität sowohl für die Individuen, Sexualmoral, aber auch für Gemeinschaft im sozial-ethischen Sinn. In Bezug darauf sind viele europäische Länder eher skeptisch und fragen, ob wir auch wirklich noch in der Gemeinschaft der Kirche bleiben.

Ich antworte, dass wir selbstverständlich bleiben, wir haben gar nichts anderes im Sinn. Aber wir brauchen eine Antwort, die auch unserer Kultur gemäß ist und die uns lehrt, wie wir auf eine neue Weise Weltkirche werden. Wir werden vieles zusammen tun und uns in anderen Punkten sehr different aufstellen - angesichts der unterschiedlichen kulturellen Herausforderungen, vor denen wir stehen.

DOMRADIO.DE: Bei den Fragen, die alle beschäftigen, die nicht an den deutschen Landesgrenzen Halt machen, erfahren Sie doch Unterstützung für den Synodalen Weg, für die Veränderungsbemühungen, die gegenwärtig diskutiert werden?

Overbeck: Der Synodale Weg in Deutschland hat die Herausforderung, die tiefen strukturellen Fragen mit einer geistlichen Erneuerung der Kirche zu verbinden. Diese Verbindung von spirituellen und strukturellen Fragen beschäftigt viele. Das gilt auch für andere europäische Länder, die genau diese Frage stellen: Wie können wir angesichts der Suche nach dem Sinn, aber auch nach Gott, so spirituell sein, dass sich dadurch Wege für Menschen eröffnen, und welche Formen geben wir dem? Und das bindet uns. Das ist etwas, bei dem wir europäische Solidarität üben können, gerade angesichts unserer langen Christentumsgeschichte.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat der Bischof von Passau, Stefan Oster, auch noch mal gesagt: Es geht um diese geistliche Erneuerung. Ihm fehlt ein bisschen das Gebet, ihm fehlt sozusagen die Anbetung, die Eucharistie. Ich sag es mal mit meinen Worten: Reicht das denn alleine, wenn man sich darauf konzentriert?

Overbeck: Es ist das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, dass Gott ja nicht als Gedanke geblieben ist, sondern Mensch geworden ist. Das ist eine sehr klassische Struktur. Einen Menschen kann ich erkennen und in ihm seinen Geist. Und das zeigt auch, wie wir leben müssen. Nämlich auf der einen Seite sehr klassisch, geistlich bestimmt und zugleich sehr strukturell. Und das macht auch die Herausforderung des Christseins aus, geistlich, also mit Gott verbunden, im Sinne von strukturell, also ganz mit beiden Beinen auf der Erde, eben mit den Menschen verbunden zu leben.

Von daher können wir beides sagen: Wir brauchen eine wache Aufmerksamkeit auf Struktur und eine wache Aufmerksamkeit auf geistiges Leben. Wir sollten uns hüten, das gegeneinander auszuspielen.

DOMRADIO.DE: Dann gucken wir abschließend noch mal auf die Struktur, gerade in Europa, wenn die Bischöfe gemeinsam ihre Stimme erheben. Haben sie noch Durchsetzungskraft? Wir erleben ja auch Spannung, Stichwort Flüchtlingskrise. Da spricht man ja nicht immer mit einer Stimme. 

Overbeck: In manchen Punkten muss man einfach sagen: Es gibt Entscheidungsfragen. Eine Entscheidungsfrage ist für mich die Frage der Migration. Nicht nur das Phänomen, was wir in den Jahren 2015 und den Folgejahren erlebt haben und erleben, sondern auf Dauer. Angesichts der internationalen Entwicklungen und der Krisenherde werden wir immer mehr eine internationale Migrationsgesellschaft. Von daher müssen wir auf diese Fragen antworten.

Papst Franziskus wird nicht müde, es zu benennen: Wir tun es, indem wir auf Gott schauen, der als Mensch immer wusste, er nimmt Menschen auf. Das hat Jesus uns gelehrt und das tun wir auch. Auf der anderen Seite fand ich auch einen Kommentar der jetzt scheidenden Bundeskanzlerin sehr passend, die nach der sogenannten Flüchtlingskrise gefragt wurde und sinngemäß geantwortet hat: Dieses Wort habe ich nie in den Mund genommen. Es geht um Menschen.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.


Vollversammlung des Synodalen Wegs / © Julia Steinbrecht (KNA)
Vollversammlung des Synodalen Wegs / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Eingangsschild am Sitz der COMECE in Brüssel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Eingangsschild am Sitz der COMECE in Brüssel / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR