DOMRADIO.DE: Wie waren denn die vergangenen zwei Monate für Sie? Kein Abstand, keine Maske, keine Nachweise – war das angenehm oder war Ihnen nicht immer ganz wohl?
Sr. Anna Mirijam Kaschner CPS (Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz): Am Anfang war mir nicht ganz wohl, gerade in den Supermärkten, wenn man auf einmal merkte, Leute sind ohne Maske unterwegs, man rückt wieder näher zusammen, Handschläge bei Begrüßungen gingen wieder. Man hat es am Anfang gemerkt, die Leute waren sehr, sehr unsicher und wussten nicht so richtig, wie sie damit umgehen sollten.
Im Laufe der ersten vier Wochen hat sich das aber in ein Gefühl von – ich sage mal "Wow, toll", wieder Freiheit, wir können genießen – entwickelt. Jetzt steigen die Zahlen wieder an und die Regierung nun beschlossen, dass Corona wieder als gesellschaftgefährdende Krankheit bezeichnet wird, damit es ihnen ermöglicht wird, wieder Restriktionen einzuführen.
DOMRADIO.DE: Die Inzidenz in Dänemark ist sogar höher als bei uns, bei rund 280. War die Regierung da zu voreilig Mitte September?
Kaschner: Sie hat Mitte September bereits angekündigt, sollten sich die Zahlen wieder in die falsche Richtung entwickeln, würden sie wieder Maßnahmen einführen. Diese Öffnung am 10. September stand immer unter dem Vorzeichen, wir beobachten die Situation weiter, wenn sie sich verschlechtert – und das hat sie jetzt – müssen wir wieder eingreifen.
DOMRADIO.DE: Das wird jetzt passieren. Was ist jetzt die Konsequenz dieser hohen Covid-Fallzahlen?
Kaschner: Es wird vorsichtig eingeführt, also diese Einstufung als gesellschaftsgefährdete Krankheit ist erstmal für einen Monat festgelegt. Nach einem Monat wird wieder neu geguckt. Einfach auch um zu sagen, dass die Maßnahmen nicht direkt wieder für fünf oder sechs Monate gelten. Das, was jetzt eingeführt ist, ist der sogenannte "Corona-Pass", wie das bei uns heißt. In Deutschland ist das die 3G-Regel. Wobei dieser "Corona-Pass" jetzt ab 15 Jahren gilt, vorher war es ab 16 Jahren.
Also alle, auch Jugendliche ab 15 Jahren müssen quasi die 3G-Regel beachten. Wenn es um genesene Personen geht, dann gilt die Genesung sozusagen nur ein halbes Jahr. Wer länger als genesen gilt, muss sich impfen lassen.
Man merkt, dass schon die Aufforderung der Staatsministerin vorgestern Wirkung gezeigt hat. Es sind über 11.000 Menschen, die in den Impfzentren seitdem für einen Termin anfragen. Sie hat also sehr deutlich gesagt, für die Ungeimpften wird es unangenehm – und das ist auch gut so. So deutlich hat sie es gesagt.
DOMRADIO.DE: Schauen wir in die Kirchen in Dänemark. Inwiefern haben die neuen Bestimmungen Auswirkungen auf Gottesdienste? Müssen Sie da auch das 3G-Modell anwenden?
Kaschner: Wir müssen es anwenden, sobald im Innenbereich über 200 Leute zusammenkommen. Da unsere Kirchen aber sehr klein sind, wird das vielleicht zu Weihnachten passieren. Wer weiß, ob wir dann auch schon wieder Abstandsregeln haben, ob wir dann auch wieder Gottesdienstbesucher-Begrenzungen haben. Wir hoffen aber, dass zumindest nicht die Kirchen wieder geschlossen werden.
DOMRADIO.DE: Dänemark gehört ja mit zu den Impf-Weltmeistern. Impfverweigerer gibt es nur sehr wenige bei Ihnen. Deswegen war ja überhaupt dieser "Freedom-Day" Mitte September möglich. Was meinen Sie, was läuft bei Ihnen besser als bei uns?
Kaschner: Unsere Impfquote liegt wirklich sehr hoch, bei 85 Prozent inzwischen. Ich glaube, dass die Bevölkerung ein sehr großes Vertrauen in unsere Regierung hat, weil sie offen und transparent kommuniziert. Sie hat ganz am Anfang schon, als die ersten Nebenwirkungen von AstraZeneca und Johnson&Johnson bekannt wurden, diese zwei Impfstoffe sofort aus dem Programm genommen und verimpft nur noch Moderna und Biontech. Das hat, glaube ich, den Leuten noch mal ganz deutlich gemach, okay, sie passen wirklich auf. Sie geben uns nicht irgendwas, was vielleicht noch nicht richtig erforscht ist.
Das hat dazu geführt, dass sehr viele Leute Vertrauen haben und sagen, dann lasse ich mich auch impfen.
Zudem ist Dänemark ein Land, das sehr gesellschaftsbewusst lebt. Jeder hat immer eine gewisse Verantwortung, dass das, was er oder sie tut, Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Man hört bei den Leuten ganz viel, dass sie sich nicht dewegen impfen lassen, um sich selber zu schützen, sondern um unsere Gesellschaft funktionsfähig zu halten.
Das Interview führte Carsten Döpp.