DOMRADIO.DE: Von Aktivistinnen und Aktivisten war aus Glasgow zu hören: "Wir brauchen keine Hoffnung mehr, sondern Taten." Das ist verständlich, oder?
Volker Rotthauwe (Umweltpfarrer, Institut für Kirche und Gesellschaft der Ev. Kirche von Westfalen): Ja, ich kann es nachvollziehen. Es passiert in der Tat viel zu wenig und viel zu langsam. Für mich persönlich und auch für viele in der Klimabewegung gehören natürlich aber Taten sehen zu wollen und Hoffnung zusammen, weil es ohne die Hoffnung, dass es doch noch gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu reduzieren und ohne die Hoffnung, dass nach diesen ganzen Rückschlägen der letzten Jahre, Jahrzehnte doch Bewegung in der Klimabewegung bleibt, auch nicht geht.
Für mich gehören immer Taten und Hoffnung zusammen.
DOMRADIO.DE: Sie als Christ haben natürlich Hoffnung und behalten die auch. Hoffentlich. Aber da sind natürlich auch einige am Werk, die das vielleicht jetzt eher so nicht haben, sondern eher aus Eigeninteresse und kapitalistischen Interessen und auch aus egoistischen Interessen handeln.
Rotthauwe: Ja, das ist so und es gibt wirklich auch Staaten, zu den kann man nichts anderes sagen, als dass sie Klima-Schurkenstaaten sind, wie im Augenblick Australien oder Brasilien, die wirklich überhaupt kein Interesse am Rest der Welt haben. Aber es gibt eben auch ganz viel Anlass zur Hoffnung, auch in Glasgow.
Von daher ist das Thema Hoffnung auch für junge Aktivisten - und wir sind sehr viel im Gespräch und wir machen mit bei den Friday-for-Future-Demos - natürlich immer präsent.
DOMRADIO.DE: Es gab ja auch Klimapilger, eine ökumenische Aktion, bei der Christen aus ganz Europa gemeinsam hunderte Kilometer zur Weltklimakonferenz nach Schottland gewandert sind. Nicht zum ersten Mal kann das innerhalb der Kirchen auch so ein Funke Hoffnung sein, der vielleicht auch dann noch mehr Menschen dazu ermutigt, sich fürs Klima auch wirklich einzusetzen.
Rotthauwe: Ja, ganz bestimmt. Wir pilgern seit 2015 von den Orten der COP und in diesem Jahr von Polen bis nach Glasgow; 1500 Kilometer. Die Pilger sind jetzt gerade zurückgekommen und unterwegs sind natürlich Hunderte von Schülern und Schülerinnen, die mitlaufen.
Ich glaube, dieses Jahr an die 3000, es gab über 50 Veranstaltungen unterwegs. Und das ist ja ein Funke, der sich nicht nur innerhalb der Kirchen entzündet hat, sondern weit darüber hinaus pilgern auch viele, viele Menschen, die gar nicht so eine kirchliche Rezeption haben. Von daher ist das wirklich eine kleine Bewegung, die sich seit 2015, seit Paris, entwickelt hat.
DOMRADIO.DE: Schauen wir mal auf die zwei Wochen, in denen die Staats- und Regierungschefs, ihre Ministerinnen und Minister und deren Unterhändler da verhandelt haben. Wer da was jetzt im eigenen Land und auch gemeinsam mit anderen Staaten denn jetzt macht, um die Klimaziele erreichen zu können: Sind Sie denn grundsätzlich zufrieden, was jetzt dabei rumgekommen ist? Oder ist doch die Kritik im Vordergrund?
Rotthauwe: Nein, zufrieden kann man nicht sein, bei keiner der Klimakonferenzen. Zufrieden wären wir, wenn natürlich viel ambitioniertere Ziele erreicht worden wären. Im Augenblick sieht es ja so aus, dass die Ziele zum Kohleausstieg bis 2030 noch mal vorweg verwässert werden sollen.
Es gibt also viele Gründe, unzufrieden zu sein. Aber auf der anderen Seite haben wir in Paris noch von 1,5 bis 2 Grad geredet. Jetzt sind 1,5 Grad festgezurrt. Wir waren längst noch nicht so klar in den letzten Jahren, dass wir bis 2030 aussteigen müssen aus der Verbrennung von Kohle und dann aus Gas. All das ist deutlicher geworden.
Es gibt eine Allianz für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis 2030, wo zwar Deutschland nicht mitgemacht hat, aber immerhin Mercedes und andere Staaten. Es gibt Vereinbarungen der Finanzindustrie, nicht mehr zu investieren. Es gibt einige Dinge, die wirklich zufriedener machen.
Aber wir wissen alle, wir sind noch nicht auf dem 1,5 Grad-Pfad. Noch sind wir bei all dem, was beschlossen wird. Reicht das vielleicht für 2 oder ein bisschen über 2 Grad?
DOMRADIO.DE: Das reicht natürlich nicht aus. Lassen Sie uns noch ganz kurz auf eine andere Sache gucken. Vor allem die ärmsten Länder trifft ja der Klimawandel schon jetzt ganz besonders hart. Schon seit Jahren sprechen wir darüber. Wie sieht es denn mit der internationalen Solidarität aus? Hat sich da was getan?
Rotthauwe: Viel zu wenig. 100 Milliarden Dollar waren versprochen, im Jahr 2020. Jetzt sind es 80 Milliarden Dollar. Wir brauchen, das sagen alle Institute, 300 Milliarden Dollar. Es scheint sich was zu bewegen in Glasgow, aber es ist nach wie vor so, dass die ärmsten Länder, die am wenigsten am Klimawandel beteiligt sind und die Folgen aber am heftigsten spüren, zu wenig unterstützt werden.
Ich glaube, das muss man so in aller Deutlichkeit sagen. Es ist immer noch zu wenig Geld. Wir brauchen deutlich mehr, um Maßnahmen gegen Dürre, Überschwemmungen und für Klimaanpassung in den Ländern des Südens durchführen zu können.
Das Interview führte Jann-Jakob Loos.