DOMRADIO.DE: Sie waren neun Tage vor Ort in Glasgow bei der Weltklimakonferenz. Wie haben Sie die Verhandlungen wahrgenommen?
Anika Schroeder (Referentin für Klimaschutz beim katholischen Hilfswerk Misereor): Es ist die elfte Klimaverhandlungsrunde, an der ich für Misereor teilgenommen habe. Insgesamt kann man sagen, dass es extrem chaotisch und undurchsichtig war und die Zugänge für die Zivilgesellschaft sehr schwierig waren. Neben dem eigentlichen Verhandlungsgeschehen sind viele bi- und multilaterale Abkommen verkündet worden, zum Kohleausstieg, zur Entwaldungsreduzierung, zur Beendigung der Finanzierung von Kohle in Entwicklungsländern - alles extrem wichtige Themen.
Aber das hat zu einer Fülle von neuen Meldungen geführt, die schwer überschaubar waren - und zu einer hohen Anwesenheit von Prominenten wie zum Beispiel Barack Obama. Dadurch waren immer wieder Teile der Verhandlungen gesperrt und für die Zivilgesellschaft gar nicht erreichbar. Das hat es uns extrem schwer gemacht zu schauen, wer in den Verhandlungen blockiert oder wer etwas nicht richtig verstanden hat und mit wem wir eigentlich auf den Fluren noch einmal ins Gespräch gehen müssten. All das hat bei diesen Verhandlungen extrem gefehlt.
DOMRADIO.DE: China und USA wollen bei der Klimapolitik zusammenarbeiten. Das ist doch dann ein Erfolg, oder ist Ihnen das alles noch zu vage?
Schroeder: Es ist ein sehr vages Versprechen für Zusammenarbeit. Dass aber diese Zusammenarbeit überhaupt zustande gekommen ist, ist ein enormer Fortschritt. Zum einen für die Klimapolitik, aber auch geopolitisch, dass wir da einfach mehr Kooperation in Zukunft erhalten, auch mit der neuen Regierung in den USA.
Jetzt wird immer gesagt, die beiden Klimasünder hätten sich geeinigt, gemeinsam voranzugehen. Mich stört das ehrlich gesagt. Ich finde, dass die beiden nicht auf eine Stufe gesetzt werden können. Die USA haben ja seit Jahrzehnten einen enorm hohen Ausstoß von Treibhausgasen und haben unter vor allem den republikanischen Regierungen Klimaschutz auch aktiv verhindert - global, aber auch im eigenen Land. Die USA haben nach wie vor einen Ausstoß von etwa 19 Tonnen Treibhausgasen pro Kopf und Jahr. Das ist das Zwanzigfache von dem, was die am meisten verwundbaren Länder haben.
China hat zwar inzwischen neun Tonnen pro Kopf, hat aber auch immer noch eine enorme Energiearmut, die es in dem Land zu beseitigen gilt. Immerhin hat China in den letzten Jahren immer wieder Klimaschutzziele auf den Weg gebracht und auch aktiv umgesetzt, weil sie auch merken, sie kommen auf diesem Pfad nicht weiter. Die Luftverschmutzung ist extrem hoch, Energiekosten sind hoch, die Umweltkosten, die damit verbunden sind, sind nicht gerechtfertigt. China versucht wirklich in großen Schritten Richtung erneuerbare Energien zu gehen. Es ist schon ein großer Schritt, dass die USA und China sagen, wir nähern uns an.
DOMRADIO.DE: Warum ist für Sie das zu wenig? Weil die Klimaprobleme der ärmeren Länder nicht berücksichtigt werden?
Schroeder: Bei den internationalen Klimaverhandlungen sind ein paar Schritte gemacht worden, die uns etwas näher bringen an das, was nötig ist, nämlich die Erderhitzung in einem Maße zu reduzieren, die noch einen Lebensraum und die Entwicklungschancen für alle Menschen auf dieser Welt bereithält. Das wäre eben bei dem Limit von 1,5 Grad Erderwärmung erreichbar. Davon sind wir noch weit entfernt.
Klar ist, ohne China und USA ist dieses Limint nicht einzuhalten. Aber auch alle anderen Länder, selbst die ärmeren Länder, müssen ihren Beitrag leisten, weil schon so viele Treibhausgase in der Atmosphäre sind. Wir sehen gute Entwicklungen, aber das reicht bei Weitem noch nicht aus für das, was geschehen muss.
DOMRADIO.DE: Haben die Staaten insgesamt begriffen, worum es geht? Oder geht es letztlich wieder nur um den kleinsten gemeinsamen Nenner?
Schroeder: Es wird um den kleinsten gemeinsamen Nenner gehen. Das darf aber andere nicht davon abhalten, mit mutigen Schritten voranzugehen - auch nicht unsere Bundesregierung. Denn Fakt ist, dass es keine Alternative dazu gibt. Es steht zu viel auf dem Spiel - letztlich die Bewohnbarkeit von vielen Regionen auf dieser Welt. Insofern kann sich jetzt keiner hinter dem Nichtstun anderer verstecken.
Wir müssen vor allem aber auch jetzt darauf hin blicken, wie wir die Ärmsten der Armen in dieser Klimakrise unterstützen können. Die Klimakrise ist in voller Fahrt. Die Auswirkungen spüren unsere Partnerorganisationen, die Menschen, die sie unterstützen, Tag für Tag durch Dürre, durch Hunger, durch zunehmende, starke Naturkatastrophen, durch den Anstieg des Meeresspiegels, der auch das Trinkwasser ungenießbar macht in vielen Regionen dieser Welt.
Deshalb bedarf es eben auch einer finanziellen Unterstützung, um sich an die Folgen anzupassen. Das heißt zum Beispiel Deiche bauen oder besseres Saatgut, dass Bauern und Landwirte vor Ort entwickelt haben zu verbreiten, noch weiter zu verbessern. Es heißt aber auch, eine Lösung zu finden für den Umgang mit Schäden und Verlusten infolge des Klimawandels.
Wenn Hunderte Millionen ihre Heimat verlassen werden müssen, dann brauchen wir dafür Antworten und Regionen, die diese Menschen eines Tages vernünftig aufnehmen können. Vor allem geht es natürlich darum, den Menschen da, wo sie sind, Zukunftschancen zu sichern. Dafür braucht es auch Geld. In dem Bereich passiert in Glasgow auch noch viel zu wenig.
Das Interview führte Carsten Döpp.