DOMRADIO.DE: Wie stand es kurz nach der Flut um Ihren Laden?
Thomas Pavlik (Inhaber einer Buchhandlung): Im Laden war überall Schlamm und es lagen aufgeweichte Bücher rum. Die Möbel waren kreuz und quer verstreut. Die Tische waren zum Teil schon von Helfern ausgeräumt, als wir wieder in den Laden kamen. Wir sind erst am Tag nach der Flut reingekommen, weil ich davon selbst betroffen war. Ich wurde von der Feuerwehr gerettet und bin in einem Notquartier gewesen, wo meine Frau mich am Folgetag abgeholt hat. Als wir dann am nächsten Tag in den Laden kamen, zeigte sich das ganze Ausmaß. In Kall selbst war alles völlig zerstört. Das Wasser war zwar abgeflossen, aber in unserem Laden war gar nichts mehr in Ordnung.
DOMRADIO.DE: Sie haben dann viele Spenden für den Wiederaufbau erhalten. Wie kam es dazu?
Pavlik: Ehrlich gesagt wären wir selbst gar nicht auf die Idee gekommen, bei irgendwelchen Spendenaktionen mitzumachen. Aber ein Freund aus Köln wollte für uns auf einer Spendenplattform Geld sammeln. Das wollten wir erst gar nicht und dachten: "Das sieht doch aus, als würden wir jetzt betteln oder so". Aber er sagte: "Nein, wir müssen das machen" und wollte das unbedingt für uns einrichten.
Hinzu kamen Anfragen aus der Verlagsbranche, eine weitere Spendenseite einzurichten. Somit haben wir uns bei "GoFundMe" und zusätzlich bei "Betterplace" angemeldet. Danach ging es richtig los. Es gingen sofort Spenden bei uns ein – sowohl von Verlags- und von Buchhandlungseiten als auch von ganz vielen Privatleuten. Da kamen super viele Spenden, auch ganz kleine rührende Spenden von Leuten, von denen wir wussten, dass es zum Beispiel Schüler sind, die vielleicht ihr Taschengeld zusammengekratzt haben. Das war völlig verrückt.
DOMRADIO.DE: Woher kam die Spenden denn?
Pavlik: Zu Beginn kamen die Spenden aus Kall und Köln und aus Freundeskreisen beziehungsweise von Freunden der Freunde und Klassen. Aus der Verlagsbranche kamen aus ganz Deutschland Spenden. Das hat schon verrückte Kreise gezogen.
Dazu gab es noch einen "Spezialeffekt". Es gibt einen bekannten Autor, Norbert Scheuer, der in Kall wohnt. Er hat in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel geschrieben. Daraufhin hat das Ganze noch mal irre Kreise gezogen. Dann haben sich andere Autoren bei uns gemeldet und wollten spenden. Hamburger Buchhandlungen und Lese-Kreise haben sich bei uns gemeldet. Eine Buchhandlungs-Kette aus dem Ruhrgebiet hat für uns gesammelt, Buchhändler aus Aachen und Köln. Ich kann nur sagen: Es ist eine ganz tolle Branche!
DOMRADIO.DE: Was hat Ihnen denn in dieser Zeit Kraft gegeben?
Pavlik: Zum einen natürlch, dass die Spenden kamen. Zum anderen aber auch der Zuspruch von Kallern, die uns irgendwo trafen und sagten "Ihr müsst weitermachen". Es waren einfach diese rührenden Gesten von den Leuten aus der Umgebung.
Unser Vermieter sagte sofort, dass er den Laden wieder aufbauen wolle. Er hat wirklich viel investiert, um die Buchhandlung wieder aufzubauen. Im Grunde haben wir also vom ersten Tag an nach vorne geguckt. Außerdem waren von Anfang an ganz viele Helfer da und haben angepackt. Das war ganz toll.
DOMRADIO.DE: Was sagen denn eigentlich Ihre Kunden dazu, dass Sie jetzt wieder geöffnet haben und Bücher verkaufen?
Pavlik: Die sind zum Teil ganz aus dem Häuschen, weil im Zentrum von Kall sonst noch kaum etwas geöffnet hat. Es war ja alles überflutet. Wir hatten ein bisschen Glück mit der Bausubstanz, weil die relativ gut standgehalten hat. Es stand zwar zwei Meter hoch das Wasser im Laden, aber das ist abgelaufen. Danach waren auch Wände kaputt und es musste ganz viel gemacht werden. Trotzdem war es anscheinend innerhalb von vier Monaten möglich, das wieder aufzubauen. Jetzt sind die Leute einfach nur dankbar, dass es in Kall überhaupt wieder etwas gibt.
DOMRADIO.DE: Ihr Laden liegt in einer Straße, in der weitere Geschäfte, die Post oder zum Beispiel auch eine Tierarztpraxis sind. Was bekommen Sie sonst von den Menschen in der Eifel oder in Ihrer Nachbarschaft mit?
Pavlik: Manche sind im Grunde an den Folgen der Flut verzweifelt. Andere haben gesehen, dass es Möglichkeiten gibt und dass andere es auch irgendwie schaffen. Es gibt Geschäfte, die aufgegeben haben. Beispielsweise kommt die Post kommt nicht mehr an ihren alten Standort. Die Sparkasse braucht ein ganzes Jahr für den Wiederaufbau. Eine Eisdiele wollte erst komplett zu machen. Jetzt machen sie nächstes Jahr doch wieder ein bisschen auf. Also es gibt durchaus Leute, die nach der ersten Verzweiflung doch ein bisschen Mut gefasst haben.
Das Interview führte Florian Helbig.