Mit "großer Bestürzung" hat der pro familia Bundesverband auf ein Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts zum Versammlungsrecht von Abtreibungsgegnern reagiert. "Es darf keinen Spießrutenlauf für Menschen geben, die wegen einer Beratung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch die pro familia Beratungsstelle aufsuchen", erklärte der Bundesverband am Montag in Frankfurt.
Nachträgliche Klage hatte Erfolg
Vor dem Verwaltungsgericht hatte nachträglich eine Klage von Abtreibungsgegnern Erfolg, die eine "Gebetswache" auf dem Fußgängerplateau in unmittelbarer Nähe der Beratungsstelle angemeldet hatten. Die von der Stadt angeordneten örtlichen und zeitlichen Einschränkungen der Versammlung nahe der Schwangeren-Beratungsstelle seien rechtswidrig gewesen und griffen unzulässig in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein, entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in dem am Donnerstag veröffentlichten Urteil.
Versammlungen nur außerhalb der Öffnungszeiten
Die Stadt hatte verfügt, dass sich die Gruppe nur außerhalb der Öffnungszeiten von pro familia vor der Beratungsstelle versammeln dürfe. Während der Öffnungszeiten sollte die Versammlung nur in weiterer Entfernung erlaubt sein, zum Schutz der die Beratungsstelle aufsuchenden Personen.
Kritik am Gericht
Der Bundesverband pro familia bezeichnete die Gruppe als "religiöse Fundamentalist*innen" und kritisierte das Gericht. "Mit der Versammlungsfreiheit zu begründen, dass Ratsuchende stigmatisiert und gedemütigt werden, ist eine Ohrfeige für die im Schwangerschaftskonfliktgesetz verbrieften Rechte", so der Verband. "Die Versammlungsfreiheit ist geschützt, aber wer schützt die Ratsuchenden vor religiösen Eiferern?", sagte die pro-familia-Bundesvorsitzende Dörte Frank-Boegner. Nun müsse die Bundespolitik "Gehsteigbelästigungen vor Beratungsstellen verbieten".
Aufgeheizte Abtreibungsdebatte
Bundesfrauenministerin Anne Spiegel (Grüne) sieht eine zunehmend aufgeheizte Abtreibungsdebatte. "Ich finde es unsäglich, wenn Abtreibungsgegner Frauen vor gynäkologischen Praxen auflauern oder Ärztinnen und Ärzte anfeinden", sagte die Grünen-Politikerin der "Rheinischen Post" (Montag). "Das hat mit freier Meinungsäußerung nichts mehr zu tun." Die Ampel-Koalition wolle deshalb sehr schnell den Paragrafen 219a, das Werbeverbot für Abtreibungen, ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch streichen.
"Schutz vor Konfrontation mit anderen Meinungen"
Das Gericht hatte entschieden, dass das Bestreben der Stadt, den Frauen in der Öffentlichkeit einen Schutzraum einzurichten und damit eine Konfrontation mit Andersdenkenden zu verhindern, nicht die Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit der Abtreibungsgegner rechtfertige. Einen "Schutz vor Konfrontation mit anderen Meinungen" gebe es nicht, so das Gericht. Selbst die von Schwangeren als Stigmatisierung und Anprangerung empfundene Situation rechtfertige nicht die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit.
Belagerungen beeinträchtigen Beratungsstellen
"Das können wir nicht hinnehmen", betonte Frank-Boegner und forderte "geschützte Zonen" vor Beratungsstellen. "Belagerungen, die unmittelbar vor dem Eingang von Beratungsstellen stattfinden, beeinträchtigen die Arbeit der Beratungsstellen in hohem Maße. Sie beeinflussen Ratsuchende mit Parolen, lauten Gebeten und Gesängen", sagte sie. Der Gang in die gesetzlich vorgeschriebene Beratung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch werde auf diese Weise zu einem Spießrutenlauf.
Das Verwaltungsgericht sah dies anders: Die öffentliche Sicherheit und Ordnung werde bei Durchführung der Versammlung der Abtreibungsgegner "nicht unmittelbar gefährdet". Es könne "davon ausgegangen werden, dass es nicht zu einem sogenannten Spießrutenlauf der die Schwangerschaftsberatung aufsuchenden Frauen" komme, so das Urteil.