Katholische Elternschaft warnt vor erneutem Distanzlernen

"Schule ist mehr als nur Lernen"

In vielen Bundesländern geht die Schule bald wieder los. Die Inzidenzen sind derzeit unklar, selbst Gesundheitsminister Lauterbach sagt, dass die tatsächlichen Zahlen derzeit wahrscheinlich um ein Vielfaches höher liegen.

Corona-Test in Schule / © Christoph Soeder (dpa)
Corona-Test in Schule / © Christoph Soeder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ist es nicht ein Blindflug, die Kinder jetzt in die Schule zu schicken?

Marie-Theres Kastner (Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands KED): Wir haben uns im Laufe des letzten Jahres darauf geeinigt, nicht nur auf die Inzidenzen zu schauen, sondern auf die sogenannte Hospitalisierungrate. Derzeit besteht ja die Hoffnung, dass durch Omikron nicht so viele Menschen ins Krankenhaus müssen, wie bei der Delta-Variante. Dazu können wir im Moment noch nicht viel sagen, wir haben im Moment ein Zahlenmaterial, was uns weiter im spekulativen Bereich lässt und das macht natürlich vielen Leuten Sorgen. Deshalb auch die große Verunsicherung sowohl bei Eltern als auch bei Kindern.

DOMRADIO.DE: Omikron ist hochansteckend: Die USA und England zeigen, dass auch immer mehr Kinder ins Krankenhaus müssen. Der Kinderschutzbund sagt, dass es nicht die Lösung sein kann, unter allen Umständen auf Präsenzunterricht zu beharren. Sollten die Schulen unter allen Umständen geöffnet bleiben?

Kastner: Wir haben im letzten Jahr als katholische Elternschaft zwei Umfragen gemacht: Wir haben nach den technischen Möglichkeiten und der Durchführung des Distanzunterrichts gefragt. In den zwei Umfrage haben immerhin zehntausend Eltern, Kinder und Lehrer aus ganz Deutschland geantwortet. Festgestellt haben wir, dass die sozialen und psychischen Folgen für Kinder, wenn sie isoliert sind und nicht in der Gemeinschaft von anderen Kindern lernen, enorm hoch sind.

Das bestätigen Ihnen auch Kinder- und Jugendpsychologen, die derzeit einen enormen Ansturm auf die Praxen verzeichnen. Das hat uns zu der Forderung gebracht, dass die Schulen geöffnet bleiben sollten. Das heißt nicht, dass wir dafür keine Bedingungen stellen: Es muss alles getan werden, um den größtmöglichen Schutz der Kinder dabei zu gewährleisten!

DOMRADIO.DE: Wir gehen jetzt ins dritte Jahr der Pandemie. Bei aller Kritik dran, wie vor allem Kinder und Jugendliche darunter leiden mussten: Haben Sie den Eindruck, dass sich im schulischen Bereich auch etwas verbessert hat?

Kastner: Ja, erstens ist der Distanzunterricht besser als vor einem Jahr, beim ersten Lockdown. Das muss man deutlich feststellen. Es hat viele Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer gegeben, da hat man sich weiterentwickelt. Das muss man schlicht und ergreifend sagen. Aber es ersetzt eben nicht die Gemeinschaft: Schule ist mehr als nur Lernen. Schule bedeutet Gemeinschaft, die den Kindern in der Regel guttut.

DOMRADIO.DE: Die Kultusminister und -ministerinnen der Länder wollen an diesem Mittwoch kurzfristig über die Lage an den Schulen beraten und am Freitag gibt es dann wieder ein Bund-Länder-Treffen. Kommt das zu spät?

Kastner: Ich erlebe es an meinen eigenen Kindern und Enkelkindern, wie die auf diese Konferenzen starren. Natürlich ist es nicht einfach in der aktuellen Entwicklung, in der man nicht weiß, wie sich die Pandemie entwickelt. Es ist tatsächlich ein Blindflug und es erfordert viel Geduld und viel Verständnis bei den Eltern, sich diesen politischen Entscheidungen zu fügen.

DOMRADIO.DE: Es gibt in Berlin jetzt den Vorschlag, die Schülerinnen und Schüler täglich zu testen. Wie finden Sie denn diese Option?

Kastner: Die finde ich ausgesprochen gut. Wenn ich irgendwo hingehe, teste ich mich auch und versuche, mich und die anderen zu schützen. Das beobachte ich auch an meinen Kindern und Enkelkindern. Die nehmen die Tests mittlerweile sehr gelassen hin.

DOMRADIO.DE: Das heißt, als Bundesvorsitzende der katholischen Elternschaft in Deutschland würden Sie diese Idee auch den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit an die Hand geben, damit die Schulen geöffnet bleiben können?

Kastner: Ja, ich bin dafür, dass man alles macht, was möglich ist: Von der Trennung von Gruppen und den nötigen Hygienemaßnahmen, die wir seit Beginn des zweiten Lockdowns sehr, sehr intensiv betrieben haben. Die haben ein bisschen nachgelassen. Ich würde sagen, die Alarmstufe sollte man wieder einführen und auch die Tests. Und dann wäre es vielleicht möglich, dass wir durch diese Omikron-Welle hindurchkommen.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Marie-Theres Kastner im November 2017 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Marie-Theres Kastner im November 2017 / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR