"Hosianna, Hosianna - gepriesen sei der Gesalbte", tönt es durch den großen Saal im Ammergauer Haus. "Was willst Du? Warum bist du gekommen?", entgegnen die Feinde. Noch klingen die Rufe verhalten. Doch die Freude, dass es wieder losgeht, ist zu spüren. Etwas über 100 Mitwirkende sind am Abend des Dreikönigstags im verschneiten Oberammergau zusammenkommen. Endlich trifft man sich nach fast zwei Jahren wieder in großer Runde und hat ein gemeinsames Ziel: Die Premiere für die Passion am 14. Mai. Wie und in welcher Weise das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu stattfinden wird, weiß im Moment niemand. Endgültig entschieden werden soll im März.
Neustart nach Verschiebung
Im März 2020 hatte das Coronavirus den Vorbereitungen für die 42. Passionsspiele ein abruptes Ende bereitet. Nun wagt Spielleiter Christian Stückl mit seinen Leuten einen Neustart - Omikron zum Trotz. Das Gebot der Stunde lautet: testen, testen, testen. Bevor sich überhaupt Jesus mit seinen Jüngern, die Mitglieder des Hohen Rates und die sogenannte Rotte auf einem der weit auseinander stehenden Stühle niederlassen durften, galt erstmal geduldiges Warten im Foyer. Dort musste sich jeder, auch die Geimpften und "Geboosterten", bei den Helfern des Roten Kreuzes einem Schnelltest unterziehen.
Das digitale Einchecken, damit die Anwesenheit bei der Probe registriert wird, folgte erst danach an zwei Terminals. Das kann in diesen Zeiten für Verwirrung sorgen. "Hast Deinen Ausweis dabei", fragte Walter Rutz im fast schon väterlich-fürsorglichem Ton des von ihm verkörperten "Joseph von Arimathäa" einen jungen Mann. "Meinen Impfausweis?", erwiderte dieser verunsichert, bis er merkte, dass jetzt ein anderes Dokument gebraucht wird.
Tests vor jeder Probe
Ohne Tests vor jeder Probe geht nichts. Das machte Stückl in seiner Begrüßung deutlich. Auch wenn es manchem auf den Nerv gehen werde, "aber ich glaube, es ist notwendig, damit sich jeder einigermaßen sicher fühlt". Den Mitwirkenden rät er: "Seid vorsichtig!" Wer Symptome bemerke, sollte sich lieber zwischendurch auch mal testen lassen. "Wir müssen versuchen, das Virus aus dem Theater rauszuhalten."
Im Text jedenfalls findet "Corona" nicht statt, versicherte der Spielleiter. Vor zwei Monaten hat er sich ihn erneut nach knapp zwei Jahren vorgenommen. Viel verändert werden müsse nicht. Allerdings passiere es bei den Proben, dass man entscheide, einen Satz mal vor, mal nachzuziehen, weil es einfach besser klinge.
"Wir machen das Spiel jetzt miteinander, wir reden miteinander, wir diskutieren, und damit sind wir an der Religion dran", ergänzte der Fachmann fürs Katholische. Aber er würde niemandem Religion verordnen. Es bleibe jedem überlassen, was er für sich mitnehme: "Ich habe mich dann doch entschieden, Regisseur zu werden und kein Pfarrer." Als solcher hat er im Münchner Volkstheaters am 21. Januar mit Juli Zehs "Über Menschen" eine weitere Premiere zu stemmen.
Probenplan
Für die Oberammergauer sieht der Probenplan vor: "Am Montag lesen wir den Einzug, am Dienstag Bethanien, am Mittwoch Vertreibung der Händler aus dem Tempel, am Donnerstag Abendmahl." An diesem Abend wird alles bis zu Kreuzigung und Auferstehung durchgelesen. Das klingt vereinzelt so, wie wenn Schüler mit verteilten Rollen einen Goethe-Klassiker laut vortragen. Doch markante Stimmen wie die von Peter Stückl (79) als Hoher Priester Annas, der gegen das Auftreten des Nazaräners Stimmung macht, sind rauszuhören.
Anton Preisinger (53) hält als Pilatus dagegen. Mit seinem Sohn Anton (23) wird er bei der "Empörung" des Volks gemeinsam auf der Bühne stehen. Erstmals hat der Junior eine Hauptrolle ergattert. Als Johannes, dem Lieblingsjünger Jesu, gefällt ihm besonders die Szene am Ölberg und jene, wo der Herr die Händler aus dem Tempel wirft - "weil es da ein bisschen abgeht". Diese Action hat es auch Jesus-Darsteller Rochus Rückel (25) angetan. Da sei Jesus so klar und deutlich, "das macht Spaß". Das Passionsfeeling, findet er, komme langsam. "Das Tolle entsteht dann, wenn alle beieinander sind. Da ist dann auch die Motivation wieder da."