Bätzing schrieb in der "Süddeutschen Zeitung" am Samstag, die beabsichtigten Änderungen nähmen den Schutz des ungeborenen Lebens zurück und könnten "nicht für sich in Anspruch nehmen, fortschrittlich und modern zu sein". Die bestehenden Standards für den Lebensschutz seien keine Restbestände einer verkrusteten Gesellschaft, betont der Limburger Bischof mit Blick auf die Ankündigung der Ampelkoalition, mehr Fortschritt zu wagen. Vielmehr seien sie der Ausweis für eine umsichtige und verantwortungsvolle Gesellschaft.
Kompromiss soll nicht aufgeschnürt werden
Bätzing äußert sich kritisch zu mehreren Projekten des Koalitionsvertrags. Mit Blick auf den Paragrafen 218 schreibt der Bischof, die Kirche habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ihr der Schutz des ungeborenen Kindes nicht weit genug gehe. Die bestehende Regelung sei nach harten Konflikten ausgehandelt worden. "Diesen seit einigen Jahrzehnten bestehenden Kompromiss nun aber aufzuschnüren, bedeutet, den gesellschaftlichen Aushandlungsprozess erneut zu führen."
Bätzing verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht den Spielraum des Gesetzgebers begrenzt habe: "Der Staat hat eine Schutzpflicht für das ungeborene Leben." Der Bischof plädiert ferner dafür, das umstrittene Werbeverbot für Abtreibungen beizubehalten. Es trage zu einer objektiven und seriösen Beratung und Information bei. "Dem würde entgegenstehen, wenn der Schwangerschaftsabbruch in jeder Form angeboten und beworben werden darf", betont der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Persönliche Beratung beibehalten
Mit Blick auf die Konfliktberatung kritisiert Bätzing die im Koalitionsvertrag vorgesehene Einführung der Online-Beratung. Eine "persönliche Beratung in Präsenz" werde der schwierigen Situation der Frauen viel stärker gerecht. "Die Konfliktberatung darf nicht den Charakter einer Formalie annehmen, die sich online abhandeln lässt."
Grundsätzlich wendet sich der Bischof gegen die Absicht der Ampelkoalition, eine "Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin" einzusetzen und in ihr unter anderem zu prüfen, ob die Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs möglich sei. "Wir halten eine solche außerstrafrechtliche Regelung mit Blick auf den Schutz des Lebens für unzureichend", schreibt Bätzing. Die Verortung des Schwangerschaftsabbruchs im Koalitionsvertrag unter der Zwischenüberschrift "Reproduktive Selbstbestimmung" deute "auf eine problematische Verschiebung" hin.
Caritas-Präsidentin sieht ausreichende Infomöglichkeiten
Auch Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa sprach sich gegen die Abschaffung des Werbeverbotes für Abtreibungen aus. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte sie: "In der letzten Legislaturperiode wurde dazu eine neue Regelung geschaffen. Listen mit Arztpraxen, die diese Leistung anbieten, sind mittlerweile im Internet abrufbar. Aus meiner Sicht reicht das."
Die Caritas-Präsidentin fügte hinzu: "Ich habe miterlebt, wie der Kompromiss zum Paragrafen 218 errungen wurde. Die Forderung nach Streichung des Paragrafen 219a StGB stellt diesen mühsam erreichten Kompromiss infrage. Ich bin dafür, vorsichtig damit umzugehen."
Kardinal Marx: Leben von Mutter und Kind bewahren
Der Münchner Kardinal Marx plädierte in einem Hörfunkbeitrag für den Bayerischen Rundfunk für "respektvolle Debatten, die einen Maßstab nicht unterlaufen, und das ist der unbedingte Schutz jedes Lebens, der nicht verhandelbar ist und auch nicht unter Wert beworben werden darf". Es sei keine Frage, "dass es Situationen geben kann, die für das Leben einer werdenden Mutter sehr schwierig sind", so der Kardinal.
Umso wichtiger sei es, "als Gesellschaft auch in dieser Situation hellwach zu bleiben und solidarisch zu handeln, um das Leben von Mutter und Kind bewahren zu können". Es geht nach Ansicht von Marx in der Diskussion um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche "nicht um leichte Fragen, sondern um die grundsätzliche Frage, ob die Werbung für eine Abtreibung Grenzen verschiebt in unserer Wahrnehmung und Bewertung des Lebens".
Das Werbeverbot für Abtreibungen, der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch, untersagt das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in grob anstößiger Weise geschieht. Damit soll auch sichergestellt werden, dass Abtreibung nicht als normale Dienstleistung angesehen wird. SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Paragrafen zu streichen.