Anfang des neuen Jahres will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, so kündigte er es in einem Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland kurz vor Weihnachten an. Auch Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) erklärte, eine ihrer ersten Amtshandlungen solle die Abschaffung des Paragrafen sein.
Kompromiss hat nicht lange gehalten
Dabei hatten Union und SPD den Streit um den Paragrafen vor zwei Jahren zunächst befriedet. Schon damals war allerdings klar, dass der ausgehandelte Kompromiss nicht lange halten wird: Die SPD wollte den Paragrafen schon damals eigentlich ganz streichen, die Union wollte nichts ändern. Inhaltlich untersagt der Passus das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in grob anstößiger Weise geschieht. Damit soll auch sichergestellt werden, dass Abtreibung nicht als normale Dienstleistung angesehen wird.
Der gefundene Kompromiss, auf den sich Minister von SPD und Union vor zwei Jahren einigten, sieht eine Ergänzung des Paragrafen vor, um Schwangeren, wie es heißt, einen besseren Zugang zu Ärzten zu ermöglichen, die Abtreibungen vornehmen. Ärzte und Krankenhäuser dürfen auf ihrer Internetseite darüber informieren, dass sie die Eingriffe unter den gesetzlichen Voraussetzungen durchführen. Zudem sollte die Bundesärztekammer eine Liste der Ärzte und Krankenhäuser erstellen, in denen Abbrüche möglich sind. Das tat diese dann auch, inzwischen sind dort mehr als 350 Praxen gelistet.
Geldstrafe für Ärztin
Auslöser für die Debatte war ein Gerichtsurteil: Das Amtsgericht Gießen verurteilte Ende 2017 die Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe. Abtreibungsgegner hatten auf ihrer Homepage entdeckt, dass sie Abbrüche anbietet, und Hänel angezeigt. Inzwischen liegen ihre Klage und weitere Klagen gegen die Verurteilung vor dem Bundesverfassungsgericht.
Unterschiedliche Reaktionen auf den Kompromiss gab es innerhalb der katholischen Kirche: Während die Deutsche Bischofskonferenz erklärte, die Änderung sei überflüssig, weil es bereits jetzt ausreichend Informationen gebe, sprach das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) von einem tragfähigen Kompromiss. Zufrieden äußerte sich auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).
Kritik an Ampel-Regierung
An den Ampel-Vorhaben, den Paragrafen ganz zu streichen, gab es bereits in den vergangenen Wochen Kritik aus der katholischen und der evangelischen Kirche. Der Augsburger katholische Weihbischof Anton Losinger betonte in einem Interview etwa, "es geht zutiefst und primär um das allerwesentlichste Grundprinzip unserer Verfassung: das Lebensrecht ungeborener Menschen". Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Martin Dutzmann, mahnt zum Festhalten an der derzeitigen Regelung. Sie nehme beides ernst: Den Schutz des ungeborenen Lebens und die erheblichen Konfliktlagen, in die Schwangere im Verlauf der Schwangerschaft geraten könnten.
Eine Mehrheit für die Streichung des Paragrafen im Bundestag gilt als sicher. Widerstand dagegen ist nur von Parlamentariern der Union und der AfD zu erwarten. Indes bereitet den Kirchen ein weiterer Passus im Koalitionsvertrag der Ampel Sorge, wonach eine Kommission prüfen soll, ob "Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches" möglich sind.
Fraglich ist allerdings, ob die Ampelkoalition in dieser Legislaturperiode tatsächlich eine solche Reform anpacken wird. Denn nach der Wiedervereinigung rangen die Parlamentarier in den 90er Jahren sehr lange darum, einen Kompromiss in der Abtreibungsfrage zu finden, der schließlich die unterschiedlichen Lager befriedete.
Birgit Wilke