"Es geht zutiefst und primär um das allerwesentlichste Grundprinzip unserer Verfassung: das Lebensrecht ungeborener Menschen", sagte der Augsburger Weihbischof Anton Losinger am Freitag der "Welt". Die Debatte um "den kleinen Paragrafen" gebe Auskunft "über die große Frage des Lebensrechts und damit über das humane Antlitz unserer Gesellschaft, das sich darin zeigt, wie sie mit den Schwächsten in unserer Mitte umgeht".
Das Werbeverbot für Abtreibungen, der Paragraf 219a im Strafgesetzbuch, untersagt das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in grob anstößiger Weise geschieht. Damit soll auch sichergestellt werden, dass Abtreibung nicht als normale Dienstleistung angesehen wird. SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Paragrafen zu streichen.
Dutzmann befürwortet aktuell gültige Gesetzgebung
Der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prälat Martin Dutzmann, befürwortet die aktuell gültige Gesetzgebung. "Sie nimmt beides ernst: den Schutz des ungeborenen Lebens und die erheblichen Konfliktlagen, in die Schwangere im Verlauf der Schwangerschaft geraten können", sagte er. "Sie hält fest, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht allein eine Frage reproduktiver Selbstbestimmung ist, sondern zwei Leben existenziell betrifft."
Die Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Mechthild Heil, erklärte dazu, das Recht von Frauen auf Information sei unverhandelbar. "Werbung für Schwangerschaftsabbrüche, wie Flyer in Wartezimmern, lehnen wir ab." Heil ist Bundestagsabgeordnete der Union.
Dachverband Evangelischer Frauen zeigt sich positiv
Dagegen begrüßt der Dachverband Evangelische Frauen in Deutschland die Abschaffung. "Wir begrüßen die Streichung ausdrücklich, weil damit die reproduktive Selbstbestimmung und Autonomie weiblicher Personen gestärkt wird", sagte die Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth.
Der Paragraf stamme aus der Zeit des Nationalsozialismus, als Bevölkerungspolitik mittels Kontrolle über Frauenkörper in ihrer Funktion als Gebärende betrieben wurde und der Staat die Deutungshoheit über lebenswertes und -unwertes Leben beanspruchte.
Ärztin Hänel spricht sich für Abschaffung aus
Die Ärztin Kristina Hänel, die seit Jahren gegen den Paragrafen protestiert und Anfang des Jahres Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte, begrüßte die Entwicklung. "Die Annahme, ich könnte jemanden von einem Schwangerschaftsabbruch abbringen, indem ich ihm Informationen über die Risiken des Eingriffs vorenthalte, ist absurd", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag).
"Das verhindert keine einzige Abtreibung. Es macht sie nur gefährlicher." Zugleich plädierte sie für eine kinderfreundlichere Gesellschaft in Deutschland. "Dann haben wir Kinder, die gewollt und geliebt auf die Welt kommen, und das ist es, was ich mir wünsche", so Hänel.