DOMRADIO.DE: Es sind nur noch wenige Wochen, dann ist die Auszeit von Kardinal Woelki als Erzbischof von Köln beendet. Am Aschermittwoch, Anfang März, wird er wohl als Erzbischof von Köln wiederkommen. Mein Eindruck: Es herrscht im Moment im Bistum eine große Ratlosigkeit. Wie sehen Sie das?
Tim Kurzbach (Vorsitzender des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln): Ich komme ja gerade aus den Beratungen des Diözesanpastoralrates, und da war es in der Tat auch so: viele große Fragezeichen, ja auch große Sorge vor dem Aschermittwoch. Vieles ist bei der Sitzung ins Wort gebracht worden. Da sind natürlich Hoffnungen und Menschen, die Chance ermöglichen wollen, aber eben auch die, die große Sorgen haben, dass die Krise dann noch viel tiefer werden wird.
DOMRADIO.DE: Sie kennen sich an der Basis aus. Mein Eindruck ist: Viele Katholikinnen und Katholiken sind nicht davon überzeugt, dass es mit Kardinal Woelki als Erzbischof von Köln weitergehen könnte. Wie geht man damit um? Wie kann man denn da auch die Stimmung an der Basis so gestalten, dass es, wie es ja voraussichtlich aussieht, mit dem Erzbischof doch weitergeht?
Kurzbach: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir hier wahrhaftig sind. Es bringt jetzt nichts, so eine Art katholischen Zirkel um alles zu ziehen und zu sagen: 'Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt und das am besten und am liebsten nur unter uns.' Dafür liegen in der Tat zu viele Zuschriften und Stellungnahmen und Statements aus den Pfarrgemeinden vor, die sagen, ein "einfach so weiter", das wird es nicht geben können, denn viel zu viel Vertrauen ist zerstört worden. Und das Vertrauen wieder neu aufzubauen, ist eine riesige Herausforderung, der man sich jetzt stellen muss. Die Entscheidung darüber, ob es mit Kardinal Woelki an der Stelle weitergeht, liegt aber jetzt beim Heiligen Vater. Und das ist eine wichtige Entscheidung, die er zu treffen hat.
DOMRADIO.DE: Sie sind Oberbürgermeister von Solingen, Sie sind Politiker und Sie kennen das, dass man zielführend und optimistisch in die Zukunft schauen sollte, auch was die Pläne für die Zukunft betrifft. Nun hat man das Gefühl, die derzeitige Auszeit des Kardinals, die hat im Moment gar keine Zielführung, weil allen nicht klar ist, was mit dem Aschermittwoch anders sein soll als vor der geitlichen Auszeit des Erzbischofs.
Kurzbach: Das hat man in der Tat auch sehr, sehr intensiv in die vergangenen anderthalb Tagen hier im Diözesanpastoralrat mit vielen unterschiedlichen Stimmungen und Meinungen gemerkt. In meinem demokratischen Job aber kenne ich es vielmehr so, dass Menschen mit einbezogen werden, dass es Anträge gibt, dass es Stimmungen gibt, wo aber auf jeden Fall die Stimme jedes Einzelnen und jeder Einzelnen auch zu Gehör gebracht wird. Und ich glaube, die Kirche kann da durchaus auch von der Welt lernen, dass das, was an Potenzial vorhanden ist, was an Ideen vorhanden ist, das mit zu integrieren. Ein Bischof, der nur aus seinem Palais heraus einfach das macht, was er möchte – das werden die Menschen nicht akzeptieren.
DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade gesagt, der Spielball liegt in der Spielhälfte Roms. Was wünschen Sie sich?
Kurzbach: Ich wünsche mir, dass der Heilige Vater und die Verantwortlichen der Kurie sich sehr genau auf die Situation hier im Bistum einlassen. Ich glaube, die Visitatoren haben einen sehr klaren Bericht abgegeben, sonst hätten wir die Situation mit der Auszeit jetzt nicht. Und da gilt es jetzt sehr genau zu analysieren: Was ist das Beste fürs Bistum? Ich persönlich durchdenke das seit Wochen und Monaten und bete auch dafür. Aber meine Zielperspektive ist eine gute Zukunft für das Bistum und nicht nur die einer einzelnen Person.
DOMRADIO.DE: Der Diözesanrat hat ja vor der Auszeit von Kardinal Woelki gesagt, wir können auf diese Art und Weise nicht mehr am Pastoralen Zukunftsweg im Erzbistum Köln mit dem Kardinal als Erzbischof von Köln weiter zusammenarbeiten. Das wird man aber in Zukunft müssen, oder?
Kurzbach: Wir sind ein demokratisches Gremium. Das ist etwas Besonderes in der katholischen Kirche. Und wir werden, wenn er wiederkommt, dann sehen, mit welchem Programm, mit welcher Vision er zurückkommt. Und dann werden wir wieder in unseren Gremien zusammenkommen, wo ja alle Dekanatsräte, alle Verbände vertreten sind, und werden das dann gemeinsam bewerten und müssen dann schauen, wie kann es weitergehen. Und kann es überhaupt weitergehen?
Das Interview führte Johannes Schröer.