In seiner Künstlernovelle "Der arme Spielmann" lieferte er ein tragisches Selbstporträt - die Hauptfigur ist lebensuntüchtig, gesellschaftlich isoliert, selig in sich selbst befangen. Vor 150 Jahren, am 21. Januar 1872, starb der Wiener Dramatiker und Schriftsteller Franz Grillparzer, sechs Tage nach seinem 81. Geburtstag.
Bei ihm war seine jahrzehntelange Verlobte Katharina Fröhlich.
Heiratsantrag mit 80 Jahren
Seine Angst vor der Realität des Ehelebens hatte Grillparzer vor einer Heirat zurückschrecken lassen. Mit 56 Jahren war er zwar mit ihr und ihrer Schwester zusammengezogen, mit 80 hatte er ihr sogar einen Heiratsantrag gemacht. Sie aber schlug ihn aus: "Ich bin keine alte Hofratsköchin", soll sie gesagt haben.
Zum 150. Todestag ist es nach Ansicht der österreichischen Germanistin Daniela Strigl an der Zeit, den Schriftsteller ins Gedächtnis zurückzuholen und sein Werk mit neuen Augen zu betrachten: "Der Dichter war ein 'modern' Zerrissener, ein bissiger Zeitkritiker, war nicht nur der grantige Hofrat, sondern auch ein Feind des Despotismus."
Hellsichtig sei er zudem gewesen: "Der Weg der neuern Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität", habe Grillparzer schon 1849 geschrieben, sagt Strigl. Die Literaturwissenschaftlerin kritisiert, dass ein "antiquiertes Grillparzer-Bild aus der Nachkriegszeit" sowie eine "Krise des Bildungsbegriffs" nach der nationalen Huldigung zur Verständnislosigkeit gegenüber seinem Werk geführt hätten. Der Autor von Werken wie "Die Jüdin von Toledo" galt auch als "österreichischer Nationaldichter".
Geboren am 15. Januar 1791
Als Serafin Klodius Grillparzer wurde der älteste Sohn eines Wiener Rechtsanwalts am 15. Januar 1791 geboren. Die Mutter nannte ihn Franz Serafikus. Nach dem Tod des Vaters "vereinigte sich für sie in mir der Sohn und der Gatte", schrieb Grillparzer später. Das hatte Folgen für sein Beziehungs- und Liebesleben.
Als erster nachhaltiger Leseeindruck prägte ihn Emanuel Schikaneders Text zu Mozarts "Zauberflöte", den ihm ein Dienstmädchen geliehen hatte. Die Geister- und Feenmärchen im Leopoldstädter Theater begeisterten den Jungen. Grillparzer studierte Jura an der Wiener Universität, wurde erst Privatlehrer und trat 1813 in den k.u.k. Staatsdienst. 1856 ging er als Archivdirektor der Hofkammer in den Ruhestand.
Arbeit als Theaterautor
Neben dem Broterwerb verfasste er Theaterstücke. Eingebettet in eine reiche Tradition zwischen dem spanischen Barocktheater, der Weimarer Klassik und dem Wiener Volkstheater entstanden Dramen, die ihren Stoff aus antiken und slawischen Mythen sowie der Habsburger Geschichte schöpften und zugleich die Tiefenpsychologie Sigmund Freuds vorwegnahmen.
Seinen Durchbruch als Theaterautor erlebte Grillparzer schon 1817 mit seiner "Ahnfrau", einem Versdrama über eine "wurmstichige Familie", die aus einem Ehebruch hervorging. Schon hier zeigt sich ein Leitmotiv des Dichters: die Ambivalenz. "Und in jedem Enkelkinde,/das entsproßt aus ihrem Blut,/haßt sie die vergangne Sünde,/liebt sie die vergangne Glut."
Daran schlossen sich drei antike Stoffe an. Im Künstlerdrama "Sappho" (1818) nimmt die Titelheldin die Marschallin des "Rosenkavaliers" vorweg. Es folgte die tragische Ehe-Trilogie "Das Goldene Vließ" (1821) und das psychologische Trauerspiel "Des Meeres und der Liebe Wellen" (1829), in dem es um die antike Liebesgeschichte von Hero und Leander geht.
Mit seinen beiden historischen Stücken "Königs Ottokars Glück und Ende" (Beginn des Habsburger Kaisertums) sowie "Bruderzwist in Habsburg" (Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg) widmete sich Grillparzer dem Leitbild des guten Herrschers und liefert zugleich ein Selbstporträt in Blankversen: "Das ist der Fluch von unserm edlen Haus:/Auf halben Wegen und zu halber Tat/mit halben Mitteln zauderhaft zu streben."
"Der Traum ein Leben" - so nannte er ein dramatisches Märchen und kehrte einen Stücktitel des Spaniers Calderon de la Barca um ("Das Leben ein Traum"). Grillparzer nahm darin Sigmund Freuds Traumdeutung vorweg: In einem Traum macht sich der unbewusste Machtwille des Protagonisten bemerkbar: "Und was jetzt verscheucht der Morgen,/Lag als Keim in dir verborgen."
"Wahrheit ist lediglich im Noch-nicht-Artikulierten, der Natur, und beim Nicht- mehr-Artikulierbaren: Gott", schreibt der Germanist Heinz Politzer über Grillparzers ebenso sprachmächtige wie sprachkritische Schelmen-Komödie "Weh dem, der lügt" (1838). Doch das Burgtheater-Publikum verstand ihn nicht. Daher zog der Autor sich aus der Öffentlichkeit zurück. In der Schublade blieben vorerst "Libussa", ein Trauerspiel über die legendäre Gründung Prags und "Die Jüdin von Toledo", eine antijudaistisch angehauchte Liebesgeschichte, die beide erst posthum uraufgeführt wurden. Der Wiener Ehrenbürger Franz Grillparzer ist auf dem Hietzinger Friedhof begraben.