Wie einst die heilige Wiborada im 10. Jahrhundert wollen sie zurückgezogen, asketisch und auf sich selbst zurückgeworfen leben. Das berichtet das "Sankt Galler Tagblatt". 2021 hatten sich erstmals zehn Freiwillige, sieben Frauen und drei Männer zwischen 33 und 86 Jahren, nacheinander freiwillig einschließen lassen. Die ökumenische Aktion sorgte für viel Aufsehen.
Sieben Tage auf 12 Quadratmetern
Sieben Tage lang werden sich die Teilnehmer im Mai mit zwölf Quadratmetern begnügen. Ein Tisch, zwei Stühle, ein Bett, ein WC und eine Waschschüssel stehen ihnen zur Verfügung. Essen und frisches Wasser werden vorbeigebracht und durchs Fenster gereicht. Es gibt ein Fenster zur Kirche und eines zur Stadt - wie einst bei Wiborada.
Laptop oder Handy gibt es in der Zelle nicht. Nach dem Vorbild Wiboradas sollen die Inklusinnen zweimal täglich für eine Stunde das Fenster zur Stadt öffnen. In diesem Jahr haben sich laut Bericht nur Frauen für die Erfahrung gemeldet.
Gespräche durchs Zellenfenster
Das Angebot wurde 2021 rege genutzt, wie die erste Nachahmerin und Organisatorin Hildegard Aepli aus eigener Erfahrung berichtete. Sie führte in ihrer Woche 137 Gespräche am Zellenfenster. Hinzu kamen 40 bis 60 schriftlich eingereichte Bitten pro Woche. Diese Bitten sollen ins Abendgebet aufgenommen werden.
Stadtheilige als Ratgeberin
Vorbild ist die Sankt Galler Stadtheilige Wiborada, die zehn Jahre eingeschlossen lebte, aber dennoch eine bedeutende Ratgeberin war.
Die als sogenannte Inklusin oder Rekluse eingemauerte Heilige, die sehr gebildet war, wurde auch von hohen politischen und geistlichen Würdenträgern um Rat gefragt. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt. Sie starb wahrscheinlich am 1. Mai 926 in ihrer Zelle bei einem Überfall der Ungarn auf Sankt Gallen.
Laut der Legende soll sie geholfen haben, den Klosterschatz und die Stiftsbibliothek zu retten. 1047 wurde sie von Papst Clemens II. als Märtyrerin heiliggesprochen. 2026 wird ihr 1.100. Todestag begangen.