Steuerberaterin engagiert sich für das Erzbistum Köln

"Ich will anderen Mut machen"

Seit 2015 gibt es im Erzbistum Köln den Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat. Dessen 21 ehrenamtliche Mitglieder entscheiden mit, wofür das Bistum Geld ausgibt. Steuerberaterin Jutta Stüsgen erklärt, warum ihr das Ehrenamt wichtig ist.

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DOMRADIO.DE: Ihr Ehrenamt kostet viel Zeit. Was motiviert Sie dazu?

Jutta Stüsgen (Steuerberaterin und ehrenamtliches Mitgleid im Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat im Erzbistum Köln): Ich bin gefragt worden, ob ich meine Kompetenz da einbringen will und ich habe an der Stelle gesagt: Ja, das ist mir wichtig. Ich möchte mich im Moment gerne in der Kirche engagieren, weil die Kirche in der Krise ist. Darum finde ich es gut, dass Menschen an dieser Stelle mitarbeiten und auch Gesicht der Kirche sind.

DOMRADIO.DE: Wie weit ist denn der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat in die finanziellen Entscheidungen eingebunden? Ist es mehr als nur das Abnicken von getroffenen Entscheidungen?

Stüsgen: Wir nicken keine getroffenen Entscheidungen ab, sondern wir dürfen selbst über finanzielle Fragen des Erzbistums entscheiden. Seit 2016 ist der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat das Entscheidungsgremium und wirkt an der Leitung dieser großen Organisation mit.

DOMRADIO.DE: Mit dem Austritt vieler Menschen werden die Einnahmen aus der Kirchensteuer drastisch sinken. Wie sehen Sie da in die Zukunft?

Stüsgen: Das ist richtig. Auf der einen Seite werden die Kirchensteuereinnahmen sinken, was mit den Austritten zu tun hat, aber auch nicht nur damit. Auf der anderen Seite werden auch die sozialen Herausforderungen steigen. Wir leben in dem Spannungsfeld, dass wir weniger Einnahmen haben aber größere Herausforderungen. Das ist ein schwieriges Thema. Aber genau das ist der Grund, warum ich mich da engagiere. Ich möchte gerne dabei mitwirken, dass die sozialen Belange weiterhin finanziert werden können.

DOMRADIO.DE: Viele Menschen treten gerade aus der katholischen Kirche aus. Warum bleiben Sie dabei?

Stüsgen: Zunächst einmal ist es so, dass auch ich natürlich an all dem leide, was im Moment in der Kirche passiert. Wenn wir Kirche hören, hören wir nur noch Wörter wie Missbrauch, Gutachten, Austritte, Verzweiflung, Empörung, Übernahme von Verantwortung. Keiner weiß mehr, was es war und wer noch wahrhaftig ist. Ganz viele Gläubige leiden an dieser Kirche.

Ich möchte ganz bewusst in der Kirche bleiben und auch ein Gesicht dieser Kirche sein, weil ich glaube, dass die Kirche lebt. Sie wird repräsentiert von den jeweils handelnden Personen. Das sind ganz viele Ehrenamtliche, Hauptamtliche, Priester, Bischöfe, die tief verwurzelt im Glauben, sich in der Seelsorge engagieren. Das ist heute nicht anders, als es eigentlich immer schon war. Auch wir sind Kirche. Deshalb finde ich es wichtig, dabei zu sein. Wir können uns wechselseitig Mut machen.

Ich hatte das Glück, dass immer wenn ich gezweifelt habe, irgendeiner kam und mir Mut zugesprochen hat: "Wir sind die Kirche". Wenn ich mit meinem Engagement jetzt anderen Mut machen kann, in der Kirche zu bleiben und da mitzuwirken und mitzugestalten, ist das einer der Gründe, warum ich mich engagiere.

DOMRADIO.DE: Wie wird es gelingen, mit weniger Kirchensteuereinnahmen die größeren Herausforderungen anzunehmen? 

Stüsgen: Ich glaube, dass uns das gelingen kann. Wenn Sie mal auf die Seite des Erzbistums gucken, wo die Gelder des Erzbistums hingehen, können Sie sehen, dass fast 60 Prozent in die Seelsorge, in die Caritas und Bildung gehen. Das finde ich ganz bedeutsam. Das sind die vielen Kindergärten, Schulen, Altenheime und Hospize, die in der Gesellschaft angenommen und gewertschätzt werden. Die wollen und müssen wir als Kirche weiterführen. Denn das ist ja unsere ureigene Aufgabe, dass wir uns um die Alten, die Schwachen kümmern, um die, die selbst keine Lobby haben. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie auch Hoffnung, dass die Kirche reformfähig ist?

Stüsgen: Ja, auch das habe ich. Vor etwa 25 Jahren war ich beim Pastoralgespräch dabei. Das ist so ein bisschen der Vorgänger des Synodalen Wegs. Die Situation ist heute natürlich eine andere als damals. Wir haben heute eine wesentlich größere mediale Aufmerksamkeit. Wir haben vielleicht auch eine ganz, ganz große Kirchenkrise. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass die Kirche aus dieser Krise gestärkt hervorgehen wird, weil sich immer mehr Gläubige zusammenfinden und ganz bewusst sagen: "Wir halten zusammen, wir sind Kirche und wir sind viele. Und wir werden das machen."

Das Interview führte Dagmar Peters.

Kirchensteuer

In Deutschland ist die Kirchensteuer eine gesetzlich festgelegte Abgabe der Kirchenmitglieder an ihre Religionsgemeinschaft. In der Regel beträgt sie neun Prozent der Lohn- oder Einkommensteuer, in Baden-Württemberg und Bayern acht Prozent. Sie wird auch auf Kapitalerträge erhoben. Rentner und Pensionäre zahlen Kirchensteuer nur, wenn sie Einkommensteuer zahlen.

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Quelle:
DR