Pfarrvikar verzichtet drei Wochen lang auf Priestergewand

Die eigene Macht reflektieren

Als Reaktion auf das Missbrauchsgutachten will Christian Ammersbach für drei Wochen auf das Tragen des Priestergewands im Gottesdienst verzichten. Damit verstößt er gegen die liturgische Ordnung. Kann diese Aktion etwas bewirken?

Liturgische Gewänder in einer Sakristei / © Martin Jehnichen (KNA)
Liturgische Gewänder in einer Sakristei / © Martin Jehnichen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie verzichten auf das Priestergewand, sie verzichten nicht aufs Predigen. Warum?

Christian Ammersbach (Pfarrvikar in Arnstein): Aufs Predigen zu verzichten wäre sicherlich auch eine gute Idee. Vor allen Dingen, wenn sie damit verbunden ist, auch die Gläubigen zu Wort kommen zu lassen. Ich werde mir die Idee mal merken.

Aber jetzt habe ich mich entschieden, auf die Gewänder zu verzichten. Denn die Gewänder sind ja ein Ausdruck - nicht der einzige, das Predigen wahrscheinlich auch - ein Ausdruck der priesterlichen Vollmachten, die ihn abheben vom normalen gläubigen Volk.

Wir inszenieren in der Messfeier auch unsere Machtstellung als Priester in der Kirche. Und das möchte ich mal drei Wochen bewusst nicht tun, um selber zu reflektieren, aber auch anzuregen darüber, was das Priesteramt eigentlich ausmacht? Wie ist das mit der Macht? Müssen wir da nicht wirklich mal fundamental an das Priester- und Amtsverständnis rangehen? Ich denke, das wäre wirklich an der Zeit.

DOMRADIO.DE: Bleiben wir bei der Macht. Sie haben Ihrem Würzburger Generalvikar Jürgen Vorndran Ihr Vorhaben mitgeteilt und Sie verstoßen damit gegen die liturgische Ordnung, wenn man es streng nimmt. Hat Ihr Generalvikar mittlerweile reagiert?

Ammersbach: Ja, er hat mich mittlerweile angerufen und hat auch Verständnis geäußert, dass wir alle mit der Situation in der Kirche aktuell ringen und jeder auch seine Ausdrucksform dafür findet. Er sieht jetzt keinerlei Veranlassung, irgendwie offiziell tätig zu werden.

Pfarrer Christian Ammersbach

"Wie ist das mit der Macht? Müssen wir da nicht wirklich mal fundamental an das Priester- und Amtsverständnis rangehen? Ich denke, das wäre wirklich an der Zeit."

DOMRADIO.DE: Und das bedeutet was?

Ammersbach: Das bedeutet, dass ich jetzt keine Konsequenzen dienstrechtlicher Art oder so etwas zu befürchten habe, sondern dass es immerhin mittlerweile in unserer Kirche möglich ist, auch einmal so ein Zeichen zu setzen. Das ist für mich auch ein Zeichen, dass sich tatsächlich auch einiges bewegt. Auch ein Bischof darf mittlerweile einen emeritierten Papst öffentlich kritisieren, was vor kurzem kaum denkbar war. Es bricht doch ein bisschen etwas auf in unserer Kirche, wenn doch einige jetzt selber anfangen zu denken, und nicht nur darauf schauen: Was darf ich? Und was ist noch erlaubt und was nicht?

DOMRADIO.DE: Haben Sie das Gefühl, mit so einer Einzelaktion lässt sich jetzt auch etwas bewirken?

Ammersbach: Das kann ich überhaupt nicht abschätzen, was so eine Aktion bewirkt. Auf jeden Fall bewirkt sie, denke ich, was in den Menschen, die es miterleben. Es wirkt vielleicht auch etwas in mir, das mal auszuprobieren, wie sich das so anfühlt.

Das ist ja auch etwas, was ich bisher nie gemacht habe. Es bewirkt etwas in denen, die jetzt selber nachdenken müssen: Mache ich da mit oder mache ich nicht mit? Jeder überlegt sich vielleicht auch: Was bedeutet das für mich?

Was dabei rauskommt, kann ich noch überhaupt nicht abschätzen. Ob das ein Baustein ist, dafür, dass andere, die auch an den entscheidenden Machthebeln sitzen, auch eher bereit sind, auch mal etwas zu überdenken. Ich würde mal nicht zu viel reininterpretieren in diese kleine Aktion, aber man weiß ja nie, was bei manchen den Ausschlag gibt.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie sich wünschen dürften, was Ihre Aktion jetzt bewirken könnte, was würden sie sich dann wünschen? Nach oben hin?

Ammersbach: Ich würde mir wünschen, dass die Gedanken, die sich ja bereits gemacht werden beim Synodalen Weg zum Thema Macht - die sind ja wirklich revolutionär für unsere Kirche, was da bisher zumindest an Diskussionsvorschlägen da ist - wenn da wirklich was bahnbrechendes herauskommt nachher und sich dadurch was bewegt. Zumindest mal kleine Anfänge.

Eine Sache zum Beispiel: Es klingt vielleicht harmlos, aber das wäre die Einführung von Verwaltungsgerichten in der deutschen Kirche oder, noch besser, in der Weltkirche. Die wurde lange vor Jahrzehnten schon mal diskutiert und wieder verworfen, aber jetzt schon in den Grundlagentexten des Synodalen Wegs zum Beispiel schon drinsteht.

Das wäre ein kleiner Schritt zu einer Gewaltenteilung, damit auch ein kleiner Schritt dahingehend, dass Macht auch kontrollierbarer wird in unserer Kirche und damit hoffentlich auch etwas weniger missbraucht wird.

Das Interview führte Uta Vorbrodt. 

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR