Seelsorgerin schreibt Bibeltexte in gerechter Sprache

"Die Weite des Betens finden"

In der Bibel ist sehr viel von Männern die Rede und auch die Sprache ist männlich dominiert, sagt Annette Jantzen. Sie formuliert daher Bibel- und Gebetstexte für Gottesdienste geschlechtergerecht um.

Eine Frau liest in der Natur die Bibel / © 4Max (shutterstock)
Eine Frau liest in der Natur die Bibel / © 4Max ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie haben sich mit der Sprache von Texten für den Gottesdienst bzw. Wort-Gottes-Feiern beschäftigt. Mit welchem Ziel?

Annette Jantzen / © Ute Haupts (BDKJ)
Annette Jantzen / © Ute Haupts ( BDKJ )

Dr. Annette Jantzen (Frauenseelsorgerin im Raum Aachen): Das ist ursprünglich daraus entstanden, dass ich als Frau und Seelsorgerin für eine sehr große Region zuständig bin und dass ich glaube, es ist gut, so eine Perspektive dezidiert für Frauen nicht nur in extra Veranstaltungen, sondern auch im Gottesdienst zu haben.

Das Angebot ist deswegen für die Menschen gedacht, die in meiner Region Wort-Gottes-Feiern leiten und diese vorbereiten müssen. Die finden auf der Internetseite der Frauenseelsorge Aachen für jeden Sonntag einen Text. Das ist das Versprechen.

DOMRADIO.DE: Nun ist ein Buch daraus entstanden. "Gottes Wort, weiblich", so heißt es. Das Buch besteht aus zwei Teilen. Sprechen wir mal über den ersten Teil. Da geht es um die religiöse Sprache. Was ist Ihnen beim Lesen religiöser Texte denn besonders aufgefallen?

Jantzen: Die Bibel ist sehr männlich dominiert. Aber das ist nicht das einzige. Es wird eigentlich überwiegend nur die männliche Gottesanrede rezipiert. Der biblische Schatz an Gottesanreden, Gottesbildern, Sprache für Gott ist viel größer. Den wollte ich ein bisschen mehr heben auf der Grundlage dessen, was ich an Exegese auf Grundlage der feministischen Theologie gelernt habe - aber eben theologisch begründet, weil das eben auch begründbar ist.

DOMRADIO.DE: Wenn man aber jetzt "Frau" statt "Herr" hört oder "Gott, unsere Mutter" statt "Gott, unser Vater", käme das schon befremdlich vor. Haben Sie denn Bibeltexte in gendergerechte Sprache übersetzt?

Jantzen: Das mache ich auch gelegentlich. Wobei ich das auch in den Bereich der Gebete noch mal einfließen lasse. Sie sagten gerade, dass sei befremdlich. Das ist ja etwas, was gelernt ist, was man befremdlich findet und was nicht.

Viele Gottesanreden zum Beispiel im Alten Testament sind eher geschlechterneutral. Wir haben dabei aber immer männliche Bilder vor Augen. Dabei sind ja Männer und Frauen und alles, was dazwischen ist, nach unserem Glauben im Ebenbild Gottes geschaffen.

Das Problem ist nur, dass wir die männliche Sprache oft ausschließlich und wortwörtlich verstehen. Das heißt, dass uns gar nicht mehr bewusst ist, dass auch das Bild Vater für Gott nur ein Bild ist. Das ist so gut wie ein Bild, aber es ist auch eben nur ein Bild.

DOMRADIO.DE: Sprachlich ist es ja so, dass in der Kirche auch vieles ritualisiert ist und es insofern dann natürlich auffällt, wenn es anders gesagt wird. Wie ist das bei den Frauen angekommen? Und wie ist auch die Reaktion von Männern, wenn Texte mal anders klingen?

Dr. Annette Jantzen, Frauenseelsorgerin im Bistum Aachen

"Manchmal ist so eine überraschende Gebetsanrede oder eine überraschende Formulierung etwas, was noch mal einen ganz neuen Impuls gibt, sie in eine neue Nähe bringt."

Jantzen: Oft sehr dankbar. Also auch da, wenn man es gar nicht vermutet. Manchmal denkt man ja, man könne das der Gemeinde nicht zumuten. Da habe ich mittlerweile mehr Mut zum Risiko, weil ich das wirklich weder an Alter noch an Geschlecht festmachen würde, wem so eine neue Sprache richtig das Herz weit macht.

Enge Gottesbilder machen es schwer, in eine Weite des Betens zu finden. Und manchmal ist so eine überraschende Gebetsanrede oder eine überraschende Formulierung etwas, was noch mal einen ganz neuen Impuls gibt, sie in eine neue Nähe bringt - natürlich nicht so, dass es sie aus dem Beten rausreißt. Das möchte ich natürlich vermeiden.

DOMRADIO.DE: Im zweiten Teil Ihres Buches gibt es Texte zur Gestaltung von Gottesdiensten. Sie haben eben schon gesagt, für wen die gedacht sind. Für jeden Sonntag finden wir hier religiöse Texte für Wort-Gottes-Feiern, die auch ein bisschen anders sind. Was konkret ist daran anders?

Die Bibel

Bibel ist die Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift gilt. Auf den Schriften fußt jeweils die Religionsausübung. Die Bibel des Judentums ist der dreiteilige Tanach, der aus der Tora, den Nevi’im und Ketuvim besteht. Diese Schriften entstanden seit etwa 1200 v. Chr. im Kulturraum der Levante und Vorderen Orient und wurden bis 135 n. Chr. kanonisiert. Das Christentum übernahm alle Bücher des Tanachs, ordnete sie anders an und stellte sie als Altes Testament (AT) dem Neuen Testament (NT) voran.

Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch (KNA)
Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch / ( KNA )

Jantzen: Ich orientiere mich immer an der katholischen Leseordnung. Das heißt, ich schaue mir immer sehr genau alle vorgegebenen Texte an und dann versuche ich zum Beispiel ein Eingangsgebet in dem entsprechenden Duktus zu formulieren, was das Thema, der Gesamtduktus des Gottesdienstes ist.

Ich mache das nur in einer geschlechterfairen Sprache oder ich schaue mir den Psalm an, der an diesem Sonntag zwischen den Lesungen vorgegeben ist und übertrage den oder setze ihn in einen neuen Kontext. Wenn man zum Beispiel den Psalm 23 in den Kontext zum Beten für die Betroffenen von sexualisierter Gewalt stellt, dann klingt er auf einmal noch viel eindringlicher und man kriegt ihn besser vernetzt.

Das habe ich mit relativ vielen Texten so gemacht, und in dem Buch sind jetzt nur die Gebetstexte drin. Ich habe sonst auch Auslegungen und Kommentare. Die sind jetzt in das Buch nicht eingeflossen.

DOMRADIO.DE: Sie schreiben auch einen Blog: "Gottes Wort, weiblich". Was lesen wir darin?

Jantzen: Das ist genau diese Sammlung "Ein Text für jeden Sonntag". Da ist nicht im Vorhinein festgelegt, wann welche Textgattung drankommt. Aber es gibt für jeden Sonntag einen Text, entweder einen Kommentar oder eine Neuübersetzung oder eben ein Gebet, ein Psalm, ein Segenstext.

Fürbittgebete mache ich dann auch so, dass sie sich gut einfügen in das Gesamtgebet des Gottesdienstes mit seinen Lesungen. Die findet man dann immer so ab Donnerstag, Freitag, spätestens Samstag immer für den folgenden Sonntag im Jahreskreis.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR