Die Ermittlungen würden in erster Linie durch Angehörige und ihre Unterstützer vorangetrieben, kritisierten die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) und die Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen (BKMO) am Donnerstag in Berlin. Sie forderten den Untersuchungsausschuss des hessischen Landtages dazu auf, seinem politischen Versprechen nach lückenloser Aufklärung "endlich nachzukommen". Am 19. Februar 2020 hatte der 43-jährige Deutsche Tobias R. neun Menschen in Hanau aus rassistischen Motiven erschossen.
TGD mahnt zu schnellerer und unbürokratischerer Hilfe
Erst 22 Monate nach dem Anschlag hätten die Opfer erste Entschädigungszahlungen vom hessischen Landtag erhalten, hieß es. "Das ist ein regelrechter Skandal", so der TGD-Bundesvorsitzende und Landesvorsitzender der Türkischen Gemeinde Hessen, Atila Karabörklü. Zudem habe das Land Hessen diese Zahlungen auch nur auf ständigen Druck von außen "so schnell" getätigt. Die traumatisierten Familien müssten sich weiterhin jedes bisschen Hilfe und Fortschritt hart erkämpfen.
Weiter sprach sich die TGD für einen hessischen sowie bundesweiten Fond für Opfer von Rechtsterrorismus aus, "damit zukünftig schneller und unbürokratischer geholfen wird und Familien von Angehörigen nicht alleine stehen".
"Traurige Kontinuität in Deutschland"
BKMO-Sprecher Mamad Mohamad erklärte, Rassismus und rechtsextreme Gewalt hätten "eine traurige Kontinuität in Deutschland". Der 19. Februar sei Ausdruck dessen, was für die deutsche Politik im Umgang mit Rassismus charakteristisch sei: "Verharmlosung, wenig Handlungsbedarf und mangelndes Verantwortungsbewusstsein."
Rassismus werde zu wenig als gesamtgesellschaftliches Phänomen betrachtet: "Es dominiert das Narrativ des Einzeltäters. Zu viele Menschen schweigen. Zu viele Menschen schauen weg", kritisierte Mamad Mohamad. Die Co-Sprecherin der Migrantenorganisationen, Dunja Khoury, warnte: "Hanau ist überall und kann jederzeit wieder passieren, wenn jetzt nicht gehandelt wird."
Die Initiativplattform der Türkischen Vereine und Verbände Hessens (HTDIP) appellierte an die hessische Landesregierung, sich ernsthaft mit der "größten Gefahr" für die deutsche Gesellschaft auseinanderzusetzen: Rechtsextremismus und Rassismus. Die HTDIP mit mehr als 30 Vereinen in Hessen hoffe, dass der "neue Wind, der mit Nancy Faser im Bundesinnenministerium weht", Antrieb für einen Kurswechsel gebe. Die türkischen Vereine und Verbände Hessens erwarteten, dass das Land Hessen die Angehörigen der in Hanau Getöteten spürbar entlaste und den Kampf gegen Rechtsextremismus mit konkreten Handlungen unter Beweis stelle.