Wenn der 50-jährige Boris Rhein in drei Monaten auf den 70-jährigen Volker Bouffier (beide CDU) als Ministerpräsident von Hessen folgt, wird nicht nur ein Generationenwechsel eingeleitet. Dann folgt auch ein engagierter Katholik auf einen überzeugten Protestanten im höchsten Regierungsamt des Bundeslandes.
Ministerpräsident Bouffier hatte etwa beim live übertragenen Festakt zum Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) im Mai 2021 in Frankfurt gesprochen und dabei demonstrativ den ÖKT-Schal um den Hals getragen. Bouffier betonte, die Christen zeigten mit dem Ökumenischen Kirchentag, dass sie gewohnte Gleise verlassen und versuchen wollten, Orientierung für die Zeit nach der Pandemie zu geben.
Rhein, seit 2019 Präsident des Hessischen Landtags, macht aus seiner Religionszugehörigkeit ebenfalls keinen Hehl. Auf seiner Homepage als CDU Landtagsabgeordneter schrieb er: "römisch-katholisch, verheiratet, zwei Kinder."
Rhein gilt als Politiker, der Werte vertritt
Rhein predigt auch hin und wieder - im wahrsten Sinne des Wortes. Im Dezember 2019 rief er vor der Kirchengemeinde Sankt Marien in Bad Homburg zu einem verstärkten Einsatz für die Demokratie auf. "Mir macht die geringe Wahlbeteiligung, die Geringschätzung oder gar Verachtung von politischem Engagement, von Politik und Politikern Angst", sagte Rhein in der Stadtpfarrkirche Sankt Marien. Gleichgültigkeit sei "das gefährlichste Gift für die Demokratie". Der katholische CDU-Politiker sprach im Rahmen der Predigtreihe der Kirchengemeinde mit dem Titel "Christ aus gutem Grund".
Rhein gilt als Politiker, der Werte vertritt und dies auch plakativ formulieren kann. Zum Angriff Russlands auf die Ukraine sagte er, Putin setze vorsätzlich die europäische Friedensordnung aufs Spiel und gefährde unzählige Menschenleben. "Für Brandstifter und Marodeure ist in Europa kein Platz", so Rhein. Er ordnete an, die ukrainische Flagge vor dem Landesparlament in Wiesbaden zu hissen.
Den rassistischen und rechtsextremen Anschlag in Hanau vom 19. Februar 2020 nannte Rhein eine Zäsur. "Die Morde von Hanau haben uns wachgerüttelt, sie haben uns die Augen geöffnet", sagte er am ersten Jahrestag der Tat, die neun Menschen das Leben kostete. "Wir erkennen, dass wir 76 Jahre nach der Schoah ein offensichtliches und bedrohliches Problem mit Rechtsextremismus und Rassismus haben. Hier - ausgerechnet in Deutschland."
Rhein soll auch als hessischer CDU-Vorsitzender folgen
Bouffier hat am Freitag nicht nur angekündigt, am 31. Mai als Ministerpräsident zurückzutreten - und Rhein als seinen Nachfolger empfohlen. Rhein solle ihm auch als hessischer CDU-Vorsitzender folgen. Die Hessen-CDU habe gute Erfahrungen damit gemacht, "für beide Ämter eine Person vorzuschlagen", so Bouffier.
Als neuer Ministerpräsident muss Rhein vom Landtag gewählt werden. "Ab dem 31. Mai - wenn der hessische Landtag mir das Vertrauen ausspricht -, gibt's dann nicht mehr den Landtagspräsidenten Rhein, sondern den Ministerpräsidenten Rhein", sagte er am Freitag.
Am 1. Juli soll dann bei einem Landesparteitag ein neuer CDU-Landesvorsitzender gewählt werden. In den Parteigremien habe es ein einstimmiges Votum für die Empfehlung für Rhein gegeben, so Bouffier. Rhein sprach von einem "Stabwechsel, der wahrscheinlich in Deutschland seinesgleichen sucht". Es sei "ein Übergang in Freundschaft und Übereinstimmung".
"Demokratien sterben selten mit einem Knall"
Rhein und Bouffier - der dienstälteste Ministerpräsident der Republik - kennen sich gut. Rhein war von 2014 und 2019 Minister für Wissenschaft und Kunst in Bouffiers Regierung, der seit fast zwölf Jahren als "MP" amtiert. Von 2010 bis 2014 war Rhein Innenminister - damals als Nachfolger von Bouffier. Manchen galt Rhein lange als Hardliner. Doch inzwischen wird er dafür gelobt, bei vielen Gelegenheiten den richtigen Ton zu treffen.
In seiner Predigt in Sankt Marien mahnte er, ein gewaltsames Ende einer Demokratie durch Putsch, Revolution oder Krieg sei zwar spektakulär, aber nicht die Regel. "Demokratien sterben selten mit einem Knall", sagte Rhein. "Das Sterben mit einem Wimmern, also das Dahinsiechen einer Demokratie ist aber alltäglicher und gefährlicher, weil viele erst aufwachen, wenn es längst zu spät ist."