Haftstrafe für argentinischen Bischof Zanchetta

Urteil mit Langzeitfolgen

Nun hat auch das Heimatland von Papst Franziskus einen schlagzeilenträchtigen Kirchenskandal. Ein Gericht schickt den ehemaligen Bischof von Oran wegen sexueller Übergriffe für mehr als vier Jahre hinter Gitter.

Autor/in:
Tobias Käufer
Gustavo Zanchetta (l) und sein Anwalt Enzo Gianotti nach der Verurteilung des ehemaligen Bischofs Zanchetta zu viereinhalb Jahren Gefängnis wegen sexuellen Missbrauchs.  / © Javier Corbalan (dpa)
Gustavo Zanchetta (l) und sein Anwalt Enzo Gianotti nach der Verurteilung des ehemaligen Bischofs Zanchetta zu viereinhalb Jahren Gefängnis wegen sexuellen Missbrauchs. / © Javier Corbalan ( dpa )

 

Es war keine gute Woche für Gustavo Oscar Zanchetta: Der ehemalige Bischof der nordargentinischen Diözese Oran musste auf der Anklagebank des Gerichts in Salta mitanhören, wie Zeugen und Experten seine Version der Dinge zerpflückten. Am Ende blieb ein symbolhaftes Bild: Der Bischof erwartet hinter einer Plexiglasscheibe der Anklagebank stehend das Urteil.

Sein Anwalt verfolgt die Szene mit gesenktem Kopf. Daneben eine Handvoll Fotografen und Kameraleute, die die Szene festhalten, und die drei Richter, die entscheiden: viereinhalb Jahre Haft wegen mehrfacher sexueller Übergriffe und die sofortige Verhaftung. Zudem soll Zanchetta in eine Gen-Datenbank für Kriminelle eingetragen werden.

Auf Möglichkeit eines "letzten Wortes" verzichtet

Das Gericht folgte in fast allen Punkten der Staatsanwaltschaft, die tags zuvor ihr Plädoyer gehalten hatte - und offenbar von Fluchtgefahr ausging. Die Zeitung "La Nacion" berichtet, der Bischof werde seine Strafe in einem Gefängnis in Oran absitzen müssen. Er selbst beklagte eine Rachekampagne und beteuerte seine Unschuld.

Den Ausschlag für das Urteil gaben die Aussagen der Opfer sowie der Psychologen, die den Vorwürfen Glaubwürdigkeit attestierten. Zanchettas Verteidiger hatte dagegen einen Freispruch gefordert. Der Angeklagte verzichtete bei der Verhandlung auf die Möglichkeit eines "letzten Wortes" - und damit zugleich auf eine Entschuldigung bei den Betroffenen.

Missbrauchsskandal in Franziskus' Heimatland

Folgt man Vorwürfen der beiden jungen Seminaristen, hätte er dazu allen Grund gehabt: Der Geistliche soll von ihnen unter anderem "Massagen" gefordert haben. Auf seinem Mobiltelefon wurden pornografische Bilder gefunden. Damit sind nun auch ganz offiziell in Argentinien - dem Heimatland von Papst Franziskus - die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche angekommen.

Welche Langzeitwirkungen das hat, ist noch nicht abzusehen. Vermutlich werden argentinische Medien jetzt beginnen, die Vorgänge genauer unter die Lupe zu nehmen. Wer wusste wann was - und wie hat sich Franziskus verhalten? Die einflussreiche Zeitung "Clarin" kommentierte noch am Freitag: "Ein dem Papst nahe stehender Bischof zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt."

Appell an die Kirche in Argentinien

Wenige Stunden vor der Urteilsverkündung hatte sich Marcio Tornina, einer der betroffenen ehemaligen Seminaristen, über Facebook an die Richter gewandt: "Ich bitte nur um Gerechtigkeit." Er dankte dem Staatsanwalt, dass er "immer an uns geglaubt" habe, und den übrigen Zeugen "für den Mut, sich allem zu stellen".

Und er richtete einen Appell an die Kirche in Argentinien: "Für die Priester, die mit ihrem Schweigen die Komplizenschaft unterstützen: Sie tun mir leid. Sie werden wissen, warum sie es tun." Aber sie müssten wissen, dass es junge Menschen gebe, die ihnen vertraut hätten. Tornina kritisierte den amtierenden Bischof von Oran, Luis Socozzina, der "mit seiner Untätigkeit" ebenfalls versagt habe.

Zanchetta galt als persönlicher Freund des Papstes

Zanchettas Berufung zum Bischof wurde während der ersten Auslandsreise von Franziskus zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro 2013 bekannt. Er galt als persönlicher Freund des Papstes. Die Personalie sorgte von Anfang an für Unruhe. Eine Online-Petition ehemaliger Mitarbeiter Zanchettas aus Quilmes forderte das Kirchenoberhaupt auf, die Personalie noch einmal zu überdenken. Sie warfen Zanchetta schlechte Amtsführung vor. Er soll zudem versucht haben, mutmaßliche Zeugen gegen ihn einzuschüchtern. Aus dem Vatikan hieß es, der Papst habe von den Anschuldigungen nichts gewusst.

Nach seinem Rücktritt als Bischof von Oran 2017 - offiziell aus gesundheitlichen Gründen - war Zanchetta als Berater bei der vatikanischen Vermögensverwaltung APSA nach Rom berufen worden. Nach einer vorübergehenden Suspendierung 2019 kehrte er 2020 auf diesen Posten zurück. Inzwischen hat er die Stelle wieder geräumt. Eine offizielle Mitteilung dazu gab es nicht.

Quelle:
KNA