DOMRADIO.DE: Mal ein aktuelles Beispiel: In einer Gemeinde in Köln-Ost gibt es eine Anmeldepflicht für den Sonntagsgottesdienst. 3G ist nicht erforderlich, bedeutet gleichzeitig: In jeder zweiten Bank gibt es magere vier Sitzplätze. Das wirkt jetzt nicht sehr einladend.
Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW): Genauso ist es - richtig. Wir haben gerade nochmal mit der Landesregierung vor dem Hintergrund der neuen Coronaschutzverordnung geschaut, wie wir unsere Gottesdienst-Regeln an die tatsächliche Situation anpassen können. Uns geht es darum, möglichst die Spielräume, die die neue Verordnung bietet, auch auszuschöpfen. Die fünf Generalvikare der Bistümer im Bundesland möchten gerne, dass die Kirchengemeinden diese Spielräume auch nutzen.
Es gibt zum Beispiel keine Zugangsbeschränkungen mehr für Gottesdienste. Eine Rückverfolgbarkeit gibt es sowieso schon lange nicht mehr. Insofern braucht es auch keine Anmeldung zu geben. Und wenn es Gottesdienste gibt, wo es eine erhöhte Nachfrage gibt, dann kann man mit einer 3G- oder 2G- Regel mehr Leute in die Kirche reinlassen.
Aber im Grunde gilt - und das ist auch meine Erfahrung aus vielen unterschiedlichen Kirchen -, dass es eine solche zahlenmäßige Begrenzung gar nicht mehr braucht, weil so viele Leute gar nicht kommen.
DOMRADIO.DE: Das klingt sehr plausibel. Und dennoch fragt man sich: Warum macht diese Gemeinde das? Warum muss man sich zum Gottesdienst dann anmelden? Anders gefragt: Warum gibt es keine einheitlichen Regeln?
Hamers: Wir als Büro können nur dazu beitragen, dass sich die Generalvikare und damit die fünf Bistümer auf einheitliche Regeln, auf Grundregeln, verständigen, die dann wiederum mit der Bitte, das auch so zu berücksichtigen, in die Kirchengemeinden gegeben werden.
Wenn die einzelne Kirchengemeinde dann aber meint, sie wisse es besser und sie wisse es auch besser als die Experten auf der Landesebene, und sich dann eigene verschärfte Regeln gibt, dann ist es natürlich schwierig, von Seiten des Generalvikariats oder des Bischofs zu sagen: Nein, ihr wendet die Regeln an, die wir vereinbart haben und die dann auch einen leichteren Zugang ermöglichen.
Es ist ganz erstaunlich, wie viele auf einmal selbsternannte Virologen und Epidemiologen es in den einzelnen Kirchengemeinden gibt. Es war mir vorher nicht bekannt, dass es da so großen Sachverstand in diesen Fragen gibt.
DOMRADIO.DE: Früher ging ja mal der Klingelbeutel durch die Reihen, also die Kollekte. Die findet aber gerade nicht statt. Beim Friedensgruß sagten wir früher: Der Friede sei mit Dir und man gab sich die Hand. Seit zwei Jahren ist das stumm und berührungslos. Immer noch zu Recht?
Hamers: Im Bezug auf die Kollekte haben wir jetzt ausdrücklich in unseren Regeln vorgesehen, dass die Körbe wieder herumgegeben werden können. Weil es nämlich so ist, dass die Infektion über Aerolsole - sprich über die Atemluft - geschieht und nicht über Schmierinfektionen, also nicht über Flächen oder über Gegenstände.
Dementsprechend haben wir jetzt gesagt, dass auch die Körbe bei der Kollekte wieder herumgegeben werden können. Die Weihwasserbecken sollen zu Ostern wieder gefüllt werden, um wieder eine Normalität in den Gottesdiensten zu bekommen und um den Leuten auf diese Weise auch die Freude am Gottesdienst wiederzugeben. Denn das, was Sie beschrieben haben, trägt ja nicht dazu bei, dass man mit Freude und - wie es in der Präfation heißt - mit erhobenem Herzen miteinander Gottesdienst feiert.
Das ist das große Problem, dass an vielen Orten den Menschen schlichtweg die Freude und auch die Gottesdienstpraxis abgewöhnt worden ist. Die Leute werden ferngehalten, statt eingeladen zu werden. Das ist extrem ärgerlich. Und das jetzt nach zwei Jahren.
Wenn wir wollen, dass das gottesdienstliche Leben und auch das gemeindliche Leben wieder stattfinden kann, sind die Gemeinden dazu dringend aufgefordert, zu schauen, wie sie ihre Gottesdienste und auch das gemeindliche Leben in den Pfarrheimen verantwortungsbewusst so gestalten können, dass das auch stattfinden kann.
Die Leute sind keine kleinen Kinder. Die Leute sind eigenverantwortlich und die Leute wissen nach zwei Jahren, was sie zu tun und zu lassen haben. Insofern sollte man den Leuten auch etwas zutrauen.
Das entspricht übrigens auch ganz und gar dem christlichen Menschenbild. Das erwarte ich von denjenigen, die für die Feier von Gottesdiensten und auch von anderen gemeindlichen Aktivitäten in den Pfarreien verantwortlich sind.
DOMRADIO.DE: Kommen wir mal auf die Sondergottesdienste wie Taufen, Hochzeiten und in diesem Fall die Erstkommunion zu sprechen. Ein Beispiel aus Brühl: Die Kinder werden ja mit der Erstkommunion in die Gemeinde eingegliedert. Die Verwandtschaft kommt mal wieder mit Kirche in Kontakt. Gemeinsam wird unter normalen Zuständen gefeiert. Aus dieser Gemeinde bekommt eine fünfköpfige Familie nun gesagt: "Liebe Familie, ihr dürft eine Person in den Gottesdienst mitbringen und keine zweite, sonst wird die Kirche zu voll." Da fühlen sich Familien vielleicht nicht wirklich willkommen.
Hamers: Nein, absolut nicht. Das ist doch eine absurde Situation. Sie können doch nicht einem Kommunionkind sagen: "Du darfst eine einzige Person mitbringen". Es gibt genügend Möglichkeiten, einen Gottesdienst so zu feiern, dass auch mehrere Leute mit in die Kirche kommen können.
Also, es gibt zum einen die schon erwähnten Regeln, dass man prüft, ob die Leute geimpft und genesen bzw. getestet sind.
Das zweite ist, dass nach der neuen Coronaschutzverordnung auch die Abstände, die empfohlen bleiben, grundsätzlich reduziert werden können, wenn die Leute alle eine Maske tragen. Und wenn die Leute da mit Maske in den Kirchenbänken an festen Plätzen sitzen, dann spricht nichts dagegen, auch mehrere Leute in eine Bank zu lassen - zumal, wenn sie aus einem Haushalt kommen.
Wenn diese Maßgabe, so, wie Sie sie beschrieben haben, stimmt, ist sie völlig überzogen. Das trägt mit dazu bei, den Leuten schlicht und ergreifend die Freude am Gottesdienst und die Freude an einem solchen Fest wie der Erstkommunion zu verleiden.
DOMRADIO.DE: Aktuell ist auch noch die Sonntagspflicht aufgehoben. Warum eigentlich?
Hamers: Es ging zunächst einmal darum, den Leuten deutlich zu machen, dass sie selber entscheiden können, ob sie zum Gottesdienst hingehen oder nicht. Die Sonntagspflicht ist zunächst einmal eine Einladung, gemeinsam den Sonntag als den Tag der Auferstehung zu feiern und miteinander Eucharistie zu feiern. Es ist eine Einladung und keine Pflicht.
Wenn den Leuten gesagt wird: Wenn ihr selber zu der Entscheidung kommt, dass ihr euch im Moment aufgrund der pandemischen Lage noch nicht dazu in der Lage fühlt, den Gottesdienst mitzufeiern, dann ist die Sonntagspflicht aufgehoben. Dann geht es darum, den Leuten diese eigenverantwortliche Entscheidung zu erleichtern.
Aber im Grunde ist es so: Es ist eine Einladung, die wir eigenverantwortlich annehmen und mit der wir eigenverantwortlich umgehen. Es geht darum, ob ich mich auch mal losgelöst von Corona gesund fühle, um den Gottesdienst mit zu feiern. Aber wie gesagt, es geht in erster Linie um eine Einladung und nicht um eine Pflicht.
Das Interview führte Tobias Fricke.