DOMRADIO.DE Wie läuft das Zusammenleben denn generell?
Dagmar Peters (DOMRADIO.DE-Moderatorin und Redakteurin): Generell kann man sagen, dass es gut läuft, dass wir uns ein bisschen aneinander gewöhnt haben. Es ist natürlich auch anstrengend, aber die erste Anstrengung mit einem digitalen Übersetzer ist ein bisschen überwunden. Der Mann kann etwas Englisch und das wird immer besser. Das ist hilfreich, dass man nicht ständig aufs Handy gucken muss, um mit einem irgendwas zu klären.
Nicht so einfach ist es natürlich, wenn es um Behördentermine geht. Da ist es dann auch schon mal so, dass schwierigere Sachen zu klären sind. Es sind aber einige Dinge auch schon erledigt. Die Corona-Impfung ist durch, der Gang zum Einwohnermeldeamt und zum Sozialamt ist durch, den ersten Scheck hat die Familie schon in den Händen.
Und die junge Frau hat tatsächlich auch schon ein Angebot bekommen, im Blumenladen Sträuße zu binden. Sie hat zwölf Jahre lang einen Laden mit ihrer Schwester in der Ukraine gehabt und auch ihre Großmutter hatte schon ein Blumengeschäft. Das ist ihr Ding.
Sie kam nach diesem Probetag mit sehr glücklichem Blick in den Augen zurück. Vorher hatte man schon den Eindruck, dass sie eigentlich immer noch wieder zurück wollte und jetzt habe ich den Eindruck, sie ist angekommen. Sie hat nach einem Kindergartenplatz gefragt, dass es doch schön wäre, wenn sie in diesem Blumenladen wirklich arbeiten könnte und ihr Kind unter Kinder kommt.
Diese erste Sorge, dass das Kind dann da ohne die Sprache zu können, mit ganz vielen anderen Kindern zusammen ist, ist auch schon ein bisschen geglättet. Auf dem Spielplatz hat sie sehr viele andere Ukrainer mit ihren Kindern getroffen. Es sind Spielplätze, die sonst tagsüber leer sind, wenn Schulkinder in der Schule sind und Kindergartenkinder in der Kita sind. Da treffen sich jetzt ganz viele junge Leute und die Hoffnung ist jetzt da, dass das Kind nicht ganz alleine ist mit der ukrainischen Sprache, wenn es dann in eine Kita kommt.
DOMRADIO.DE: Das hörte sich jetzt relativ problemlos an. Was bedeutet das? Geht man da immer mit? Können sie das schon alleine? Das klingt eigentlich doch nach Betreuungsaufwand.
Peters: Es ist aufwendig und es ist anstrengend. Das ist ganz klar. Man kann sie nicht einfach so zu der Behörde laufen lassen, wo Rückfragen gestellt werden. Gerade wenn es um die Frage Geld geht, wenn es ums Melden geht, wenn es um Corona-Impfungen geht.
Dennoch muss man aber auch feststellen, dass vielerorts, sei es in Köln, am Bahnhof oder aber Stadtzentrum, Hinweise in ukrainischer Sprache gesetzt sind, sodass die Menschen dort wissen, wo sie hin können, wo sie hin dürfen.
Es gibt auch viele Übersetzer, die dann helfen. So habe ich das Gefühl, dass ich nicht ständig Händchen halten muss.
Aber natürlich brauchen sie diese Unterstützung und dieses Backup. Sie sind in einem fremden Land mit einer ganz anderen Kultur unterwegs und wir lernen täglich neu, was bei uns anders ist. Sie sagen eigentlich ständig, dass alles anders ist.
Es wird ganz vieles angeguckt und fotografiert, bei dem ich mich wundere. Zum Beispiel haben wir wunderschöne Enten mit grünen Hälsen. Damit sind die ganz normalen Enten bei uns auf dem Weiher gemeint, die Erpel. Oder die Deckel im Boden, die für die Feuerwehrschläuche vorgesehen sind, die Hydranten. Sowas wird fotografiert. Es ist doch spannend, dass man nicht die Straße aufhauen muss, wenn einer ein Problem mit dem Wasserrohr hat. Da gibt es ganz viele Dinge, die durchaus auch interessant sind, um einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Dann frage ich mich manchmal auch, wie anders das denn eigentlich da in der Ukraine ist, als der Krieg noch nicht da war.
DOMRADIO.DE: Jetzt wird gerade noch viel zuhause gearbeitet. Liegen da auch manchmal die Nerven blank?
Peters: Ja, ich musste mein Büro räumen und das merke ich natürlich jetzt schon sehr. Wenn ich nun unten am Esstisch sitze und dann kommt da jemand und will gerade in der Küche kochen und hat vielleicht eine Frage, dann bin ich natürlich abgelenkt. Es ist so, dass man dann auch klare Grenzen setzen muss. Aber sie sind auch schon viel draußen, viel unterwegs mit den zwei kleinen Kindern zum Spazierengehen, zum Spielplatz, sodass da auch Luft für uns ist und sie auch immer wieder sagen, dass wir es ihnen sagen sollen.
Dann gibt es auch die andere Seite. Für den Blumenladen wollte die Frau Pflanzennamen lernen. Dann haben wir uns auch mal ein, zwei Stunden hingesetzt und alle möglichen Blumennamen übersetzt. Es ist anstrengend, aber vor zwei Tagen hat der Mann gesagt, dass wir für sie ein Sechser im Lotto sind. Bei Freunden hätte es überhaupt nicht geklappt, die sind jetzt unterwegs nach Moldawien und versuchen da ihr Glück.
Da muss ich sagen, wenn ich das dann höre, dann weiß ich, dass es richtig ist, was ich da mache.
DOMRADIO.DE: Gibt es einen Rat für Leute, die sich überlegen, das auch zu machen?
Peters: Man sollte sich vorher genau überlegen, was man da macht und was man leisten kann und vor allen Dingen, wie lange man das leisten kann. Hätten wir jetzt zum Beispiel kein eigenes Badezimmer zur Verfügung stellen können, hätte ich meine Schwierigkeiten damit gehabt. Da bin ich ganz offen. Wir haben einen abgeschlossenen Badezimmer-Bereich, so dass wir das nicht teilen müssen. Die Küche zu teilen, ist für mich in Ordnung und das funktioniert ganz gut.
Aber ich glaube, da muss jeder für sich selber entscheiden, wo da seine persönliche Grenze ist. Man kann sich auch, wenn man nicht jemanden aufnimmt, ganz anders engagieren. Zum Beispiel gibt es die Möglichkeiten, sich bei Deutschkursen, bei Willkommens-Cafés zu engagieren. Das sind auch Möglichkeiten, wo man helfen kann.