Aprilscherze in Zeiten des Krieges

Von Pontius zu Pilatus schicken

Von der Schummelei bei der Steuererklärung bis zur Korruption - immer wieder lügen Menschen, um sich Vorteile zu verschaffen. Aprilscherze sind meist harmloser. Seit wann es dieses Brauchtum gibt, ist unklar.

Autor/in:
Christoph Arens
Achtung Aprilscherz!  (dpa)
Achtung Aprilscherz! / ( dpa )

So hemmungslos wie Russlands Diktator Wladimir Putin hat wohl lange schon kein Regierungschef mehr gelogen. Auch Donald Trump lügt einfach weiter, wenn es um seine verlorene Wahl und seinen Anteil am Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 geht.

Darf man angesichts solch schrecklicher Vorbilder am 1. April seine Mitmenschen noch in den April schicken? In Zeiten von "Fake News" und Kriegspropaganda hat der Schabernack an Humorwert verloren. Bei denen, die bewusst gefälschte Nachrichten verbreiteten, sei gewissermaßen das ganze Jahr über 1. April, meint der Bayreuther Soziologe Georg Kamphausen.

Tradition des 1. Aprils

Vielleicht aber bekommt die alte Tradition, am 1. April seine Mitmenschen mit mehr oder weniger lustigen Falschmeldungen und Täuschungen in die Irre zu schicken, in den gegenwärtig so düsteren Zeiten eine entlastende Funktion. Schließlich kann man testen, was Mitmenschen bereit sind zu glauben. Und schließlich ist jeder an diesem Tag aufgefordert, verstärkt darüber nachzudenken, wie schnell man selber zum Narren gehalten werden kann.

Für den Hamburger Psychologen Philipp Gerlach gibt es große Unterschiede zwischen Aprilscherzen und Lügen. Zum einen stehe am 1. April nicht der persönliche Profit, sondern die Schadenfreude im Vordergrund, erklärt der Dozent an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Zudem würden Aprilscherze vom Lügner selbst aufgelöst ("April, April"). "Eine solche Auflösung geschieht bei den üblichen Lügen meist nicht durch den Lügner selbst und eher unfreiwillig."

Gerlach war Mitautor einer 2019 veröffentlichten Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und israelischer Wissenschaftler mit über 44.000 Teilnehmern und vielen Experimenten.

Männer lügen öfters

Dabei haben die Autoren herausgefunden, dass Männer tendenziell mehr lügen als Frauen. Oft aus Höflichkeit und aus Diplomatie, was Gerlach als "weiße Lügen" bezeichnet. Aber auch, weil sie sich Vorteile verschaffen wollen; das sind dann "schwarze Lügen".

Der Brauch des "in den April Schickens" ist vor allem in christlich geprägten Ländern und in Indien verbreitet. Im Islam und im Judentum gibt es keine solche Tradition. In den USA etwa feiert man den 1.

April als den "April Fool's Day", in Frankreich und in Italien wird der Gefoppte als "Aprilfisch" bezeichnet. Wissenschaftlich gesichert ist, dass die Redensart "in den April schicken" 1618 in Bayern erstmals auftaucht.

Volkskundler sehen mehrere mögliche Ursprünge für die Tradition, die den vom Wetter her oft launischen April einleitet: So sollen die Römer am 1. April zu Ehren der Venus rauschende Feste gefeiert haben, derbe Scherze inklusive. Auch das Herumschicken Jesu nach seiner Verhaftung "von Pontius zu Pilatus" soll am 1. April stattgefunden haben. Der Tag habe frühen Christen auch als der Geburtstag des Judas gegolten, schreibt der Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. Er sieht zudem Zusammenhänge mit dem germanischen Frühjahrsbrauchtum: Bei den Germanen habe der in den April geschickte Narr den machtlosen Winter verkörpert, der geneckt wurde, damit er sich möglichst schnell verzieht.

Plausible Theorie

Als besonders plausibel gilt unter Volkskundlern aber die Theorie, dass der 1. April auf das Pech von Spekulanten im Jahr 1530 zurückgeht. Auf dem Reichstag zu Augsburg wollte Kaiser Karl V. das Münzwesen neu regeln. Zahlreiche Spekulanten investierten daraufhin ihr Erspartes in der Hoffnung, am sogenannten Münztag große Gewinne zu erzielen. Als dieser dann aber gar nicht wie vorgesehen am 1. April stattfand, verloren sie ihr Geld und wurden zudem noch als "Narren" ausgelacht.

Eine weitere, häufig angeführte Erklärung ist nach Darstellung des Regensburger Kulturwissenschaftlers Gunther Hirschfelder die Durchführung einer Kalenderreform in Frankreich in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Karl IX. von Frankreich verlegte demnach 1564 den Jahreswechsel, der bis dahin am 1. April datierte, auf den 1. Januar.

Damit brachte er nicht nur die Tradition durcheinander, am 1. April Geschenke zu verteilen, sondern narrte auch diejenigen, die der neuen Regel nicht folgen wollten oder aus Unwissen weiterhin am 1. April Neujahr feierten.

Quelle:
KNA