Im zweiten Monat nach dem russischen Überfall auf die Ukraine werden auch in Lateinamerika die Folgen der weltweiten Krise immer deutlicher. Zwar sind die Regale mit Speiseöl oder Nudeln in den meisten Ländern nach wie vor gut gefüllt; dafür steigen auch hier die Preise für Sprit und Lebensmittel. Kaum ein Land, dass derzeit nicht von spontanen LKW-Streiks wegen zu hoher Benzinpreise heimgesucht wird.
So gerät ein Land wieder in den Fokus, das zuletzt auf der Liste der geächteten Staaten stand: Gegen Venezuela ermittelt derzeit der Internationale Strafgerichtshof wegen Vorwürfen brutaler Menschenrechtsverletzungen. Sechs Millionen Menschen sind bereits aus dem südamerikanischen Land geflohen, das zugleich das ölreichste der Welt ist.
Maduro ließ russischen Botschafter bejubeln
Die USA nahmen zuletzt wieder Gespräche mit dem Regime des hoch umstrittenen Präsidenten Nicolas Maduro auf. Der US-Ölkonzern Chevron steht bereit, wenn die US-Regierung ihre Sanktionen gegen Venezuela aufweicht.
Der im Exil lebende venezolanische Oppositionspolitiker Leopoldo Lopez rief Washington auf, nicht alles der Versorgungskrise unterzuordnen: "Alles, was die USA und Venezuela zum Thema Öl vereinbaren, muss in freie Wahlen münden."
Ob sich Maduro, der nach seinem fragwürdigen Wahlsieg 2018 noch bis 2024 im Amt bleiben könnte, angesichts seines plötzlich wieder gestiegenen politischen Marktwertes darauf einlässt, ist allerdings fraglich.
Weder die Massenflucht seiner Landsleute noch die internationalen Sanktionen haben Maduro bislang zu einem Einlenken bewegt. Stattdessen ließ er jüngst auf einem Parteikongress den russischen Botschafter bejubeln.
Länder Südamerikas könnten auch von Krise profitieren
Laut Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Black Rock, könnten Produktionsstandorte in Mexiko, Brasilien, den USA oder in Südostasien von möglichen gravierenden Umwälzungen in den Wirtschaftsbeziehungen profitieren.
Verschiedene Nationen könnten ihre Abhängigkeiten bei den Importen überprüfen, was zu einem schnelleren Rückzug aus einigen Ländern führen könnte, schrieb Fink in einem Brief an die Aktionäre, aus dem die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert.
Während Venezuela, Brasilien und Mexiko auf neue Geschäfte hoffen dürfen, ist die Stimmung bei den Blumenproduzenten in Ecuador im Keller. Sie müssen mit erheblichen Einnahmeeinbußen rechnen. Der Umfang nicht bezahlter Lieferungen der russischen und ukrainischen Geschäftspartner sei bereits vor zwei Wochen auf rund 33 Millionen US-Dollar gewachsen, hieß es.
Die Entwicklung setze die Branche einem hohen Risiko aus; die Blumen produzierenden Fincas könnten diese Ausfälle nicht verkraften, sagte Alejandro Martinez, Präsident der Vereinigung der Blumenproduzenten Ecuadors. Russland gehört zu den wichtigsten Importländern ecuadorianischer Blumen. 2021 gingen dem Bericht zufolge 15 Prozent der Blumenexporte nach Russland. Das südamerikanische Land ist einer der größten Blumenproduzenten weltweit.
Katholische Kirche auf Seite der Ukraine
Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Karibikstaaten Dominikanische Republik und Kuba ist der Tourismus. Gäste aus Russland hatten unter anderem Kuba geholfen, einigermaßen über die Pandemie zu kommen. In der Dominikanischen Republik ist das Ausbleiben der russischen Touristen schon jetzt zu spüren.
Politisch haben sich die meisten Länder eindeutig positioniert. Die drei Linksregime Kuba, Nicaragua und Venezuela stellen sich, zumindest verbal, hinter Russland. Der Rest verurteilt die russische Invasion mehr oder weniger deutlich - oder versucht sich an Neutralität.
Die Haltung der katholischen Kirche ist klar: In fast allen Ländern Lateinamerikas unterstützt sie die weltweite Marienweihe von Papst Franziskus. Fast täglich veröffentlichen die lateinamerikanischen Medien Berichte über in der Ukraine gebliebene Priester aus den jeweiligen Ländern. Hinzu kommt eine breite Spendenbereitschaft und Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine.