Kirche in Venezuela ruft zur Beteiligung an Regionalwahlen auf

Ein Urnengang als Blockadelöser?

International werden die Regionalwahlen in Venezuela genaustens beobachtet. Sie könnten der festgefahrenen Situation in dem südamerikanischen Land neue Dynamik verleihen. Die Kirche hofft auf neue lokale Problemlöser.

Autor/in:
Tobias Käufer
Venezuela: Ein Land in einer tiefen Krise / © David Ortega Baglietto (shutterstock)
Venezuela: Ein Land in einer tiefen Krise / © David Ortega Baglietto ( shutterstock )

Wenn die Venezolaner an diesem Sonntag für ihre Regionalwahlen zur Urne schreiten, werden weltweit viele den Atem anhalten. Erstmals seit 15 Jahren sind Beobachter der Europäischen Union im Land, die sich vor Ort ein Bild über die Rechtmäßigkeit und Fairness der Wahl ein Bild machen sollen.

Damit erhält der ansonsten eher von innenpolitischem Interesse gezeichnete Prozess auch internationales Gewicht. Als sicher gilt: Die Regionalwahlen werden neue Bewegung in die schwere innenpolitische Krise in dem südamerikanischen Land bringen.

Es braucht eine politische Lösung

Dieses Potenzial hat auch die katholische Kirche Venezuelas erkannt: Bei einem Besuch des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat äußerte sich jüngst der stellvertretende Vorsitzende der Venezolanischen Bischofskonferenz, Bischof Raul Biord Castillo von La Guaira, vorsichtig optimistisch. "Jede Verhandlung ist ein Licht der Hoffnung", kommentierte er die Gespräche zwischen Regierung und Opposition, die im Vorfeld der Wahl in Mexiko stattfanden.

"Denn ohne eine grundlegende politische Lösung: kein Ende des Hungers, keine medizinische Versorgung und in diesen Zeiten der Pandemie keine flächendeckenden Impfungen gegen Covid", sagte Biord.

Bei den Regionalwahlen hoffe er nun auf neue politische Kräfte, auf neue Bürgermeister und Gouverneure, die sich als "Problemlöser vor Ort" profilierten. Denn weder von der aktuellen Regierung noch der Opposition erwarteten die Menschen Antworten auf ihre Sorgen.

"Regierung und Opposition haben versagt, weil sie sich von Menschen viel zu weit entfernt haben", lautet das Urteil des Bischofskonferenzvize.

Trotz berechtigter Zweifel an fairen Wahlen forderte Biord die Opposition unmissverständlich zur Teilnahme auf. In der Vergangenheit waren die Wahlen immer wieder boykottiert worden. "Wer sich nicht beteiligt, hat schon verloren", sagte der Bischof. Die Verhandlungen in Mexiko hätten eine Agenda, die bis zu den Präsidentschaftswahlen reiche. "Auf diesem Wege sind Regionalwahlen jetzt eine Etappe, an der sich die Opposition unbedingt beteiligen muss", so die unmissverständliche Forderung von Bischof Biord.

Bischofskonferenz legt nach

Jetzt legte die Venezolanische Bischofskonferenz noch einmal nach: "Wir sind uns bewusst, dass die Frage der Wahlen bei einer großen Mehrheit der Bevölkerung zu innerer Apathie, bei einer Minderheit zu Überheblichkeit und einem Bruch vieler parteipolitischer Optionen geführt hat", schrieben die Bischöfe in einer in dieser Woche veröffentlichten Stellungnahme. Es gehe nun darum, nicht zu sehr zu sehen, was jeder Einzelne gewinne oder verliere, sondern die Gesellschaft im Blick zu haben. Die eigentliche Frage sei, "was wir als Volk in der politisch-gesellschaftlichen Realität gewinnen oder verlieren".

Venezuela leidet bereits seit Jahren unter einer schweren Versorgungs- und Wirtschaftskrise. Die Wahl des sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro 2019 wird weiterhin von der Nationalversammlung wie von einigen Staaten der westlichen Welt nicht anerkannt.

Wegen der unsicheren politischen und ökonomischen Verhältnisse sowie staatlicher Repression haben inzwischen rund sechs Millionen Venezolaner ihre Heimat verlassen. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet berichtete jüngst über schwere Verstöße der Regierung von Präsident Maduro wie außergerichtlichen Hinrichtungen, Folter und Unterdrückung der Opposition. Die Regierung weist dies als politische Kampagne zurück.

Jüngst hat der Internationale Strafgerichtshof auch eine formale Untersuchung zu mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Venezuela eingeleitet. Chefankläger Karim Khan hatte dies zum Abschluss eines Besuches in Venezuela angekündigt. Khan erklärte, er werde keinerlei Einmischung in die Ermittlungen des Strafgerichtshofs tolerieren. Untersucht werden sollen aber auch mögliche Gewalttaten von Regierungsgegnern.


Quelle:
KNA