Polizeiseelsorger spricht neuen Polizisten in NRW Mut zu

"Wenn Kirche immer so wäre..."

Ihre Mützen haben die 2.700 neuen Polizistinnen und Polizisten in NRW nach ihrer Vereidigung in die Luft geworfen. Landespolizeiseelsorger Rainer Dürscheid weiß, was sie im Dienst erwartet und wie wichtig da ein offenes Ohr ist.

Polizei-Anwärter werfen ihre Mützen in die Luft / © Oliver Berg (dpa)
Polizei-Anwärter werfen ihre Mützen in die Luft / © Oliver Berg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ist es üblich, dass Polizeimützen durch die Luft fliegen, wenn Polizisten ihren Diensteid ablegen?

Rainer Dürscheid (Pastoralreferent und Landespolizeiseelsorger): Das ist üblich am Ende der Veranstaltung. Das ist sozusagen ein guter Brauch. Und da flogen dann alle 2.700 Mützen nach oben.

DOMRADIO.DE: Ministerpräsident Wüst und Innenminister Reul waren auch dabei. Was haben die denn den Polizei-Neulingen mit auf den Weg gegeben?

Dürscheid: Die haben ihnen vor allen Dingen mit auf den Weg gegeben, dass sie sehr willkommen sind und dass sie sehr darauf bauen, eine rechtsstaatliche Polizei in unserem Land zu haben, die dafür sorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger bei uns in Frieden und in Freiheit leben können. Durchaus auch mit einem leichten Schlenker auf die aktuelle politische Situation, aber natürlich stärker mit dem Fokus auf die innenpolitische Sicherheit.

Polizistinnen und Polizisten stehen zusammen / © Pradeep Thomas Thundiyil (shutterstock)
Polizistinnen und Polizisten stehen zusammen / © Pradeep Thomas Thundiyil ( shutterstock )

Sie haben diese große Polizei-Familie sehr wohlwollend aufgenommen, haben ihnen sehr viel Vertrauen ausgesprochen. Sie haben natürlich aber auch darauf hingewiesen, dass sie an diesen Eid gebunden sind, die Würde des Menschen immer zu achten und zu schützen. Das wurde auch im Rahmenprogramm teilweise noch mal deutlich gemacht mit einem eigenen Song, den das Landespolizei-Orchester geschrieben hat, wo es um Würde ging. Würde duldet kein "würde" oder "sollte", sondern Würde ist unantastbar. Das war schon eine deutliche Aussage und darauf hat man sie auch hingewiesen.

DOMRADIO.DE: Bei der Polizei zu arbeiten, kann auch manchmal belastend sein. Trotzdem haben 2.700 Anwärterinnen und Anwärter diesen Weg eingeschlagen. Mit welchen Hoffnungen, Erwartungen und vielleicht auch Ängsten gehen die in ihre Dienstzeit?

Rainer Dürscheid (Landespolizeiseelsorger)

"Ich erlebe sie teilweise selber in ihrem Studium, in ihrer Ausbildung. Das geht von großer Begeisterung bis hin auch zu Skepsis oder durchaus Angst vor schwierigen Ereignissen."

Dürscheid: Das ist unterschiedlich. Ich erlebe sie teilweise selber in ihrem Studium, in ihrer Ausbildung. Das geht von großer Begeisterung bis hin zu Skepsis oder durchaus Angst vor schwierigen Ereignissen. Aber das wird auch deutlich aufgenommen und bearbeitet, sowohl von ihren Ausbildern, aber auch von uns Seelsorgern, wenn sie mit diesen Fragen zu uns kommen.

Sie erleben in ihren ersten Praktika dann zum ersten Mal die Realität. Am Anfang sind sie noch voller Enthusiasmus, aber dann erleben sie ihre ersten Leichen, ihre ersten schweren Verkehrsunfälle, ihre ersten Widerstände. Das ist natürlich wichtig, dass sie auch lernen, dafür gewappnet zu sein, sowohl bezüglich der Ausrüstung und Ausbildung, aber eben auch die Möglichkeit zu haben, sich in Krisensituationen an vertrauensvolle Menschen zu wenden, die sie unterstützen und in ihren Krisen auch begleiten.

DOMRADIO.DE: Da kommen Sie als Polizeiseelsorger ins Spiel. Wie genau geht es mit dieser Begleitung?

Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel (dpa)
Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel ( dpa )

Dürscheid: Das ist unterschiedlich. Entweder wenden sich Kolleginnen und Kollegen direkt an mich, weil unsere Telefonnummer überall im Intranet der Polizei veröffentlicht ist, sodass sie sich ohne jeden Dienstweg an uns wenden können. Es gibt auch umgekehrt die Anrufe von Vorgesetzten, die dann sagen, dass der Kollege X oder die Kollegin Y einen schwierigen Einsatz hat und sie vielleicht eine Begleitung brauchen.

Es sind verschiedene Wege, und auf beiden Wegen geht es. Entweder direkt, das erlebe ich auch immer wieder, aber oft auch, weil es wachsame Kolleginnen und Kollegen gibt, die merken, wenn eine Unterstützung notwendig ist.

DOMRADIO.DE: Gibt es da Sorgen und Nöte, die immer wieder an Sie herangetragen werden oder ist das ganz unterschiedlich?

Dürscheid: Völlig unterschiedlich. Das geht von privaten Sorgen und Nöten, wenn es Schwierigkeiten in der Partnerschaft, der Familie oder durch Todesfälle oder Ähnliches gibt oder aber auch durch dienstliche Gegebenheiten, wo sie an ihre Grenzen kommen.

Die Vielfalt ist bunt und die Themen sind sehr weit. Ich habe als Seelsorger selten so weit gefächerte Themen in den Anfragen erlebt wie in der Polizei. Das ist ein großer Vertrauensvorschuss für unsere Polizeiseelsorge, dass die damit zu uns kommen. Wir haben eine Schweigepflicht, wir haben das Zeugnisverweigerungsrecht, sodass Polizistinnen und Polizisten da immer sicher sein können, dass es bei uns gut aufgehoben ist und auch Kollegen oder Vorgesetzte von diesen Gesprächen nie was erfahren. Es liegt immer unter dem Seelsorge-Geheimnis.

DOMRADIO.DE: Jetzt kommen Sie als Polizeiseelsorger von der katholischen Kirche. Gibt es da irgendeine Skepsis, weil immer mehr Menschen immer weniger mit der Kirche zu tun haben?

Dürscheid: Ja, es gibt natürlich Skepsis. Es gibt auch das kritische Hinterfragen der katholischen Kirche. Aber es tritt bei uns selber sehr schnell in den Hintergrund, weil sie merken, dass wir ihnen zugewandt sind, dass wir zuhören können. Sie setzen uns nicht unbedingt gleich mit dem, was zurzeit durch Presse und Fernsehen geht. Aber natürlich gibt es diese Skepsis und ich habe auch schon Kolleginnen und Kollegen erlebt, die sagen "Wenn Kirche immer so wäre wie du, das wäre mir viel lieber". Es gibt auch welche, die bewusst ausgetreten sind. Das ist im Moment Realität und da spiegelt Polizei durchaus die Gesellschaft wieder.

Das Interview führte Hannah Krewer.

Polizeiseelsorge

Die christlichen Kirchen bieten mit ihren Polizeiseelsorgerinnen und Polizeiseelsorgern Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei bei der Bewältigung ihrer Aufgaben Rat, Unterstützung und Begleitung an. Sie tun dies zwar auf dem Hintergrund ihres Glaubens, aber unabhängig von konfessioneller oder religiöser Bindung der Angehörigen der Polizei.

Die Polizeiseelsorge gilt also den Frauen und Männern, die in den Polizei-Organisationen Dienst leisten. Die pastorale Sorge der Kirche gilt damit den Menschen, nicht der Organisation. (Polizeiseelsorge)

Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel (dpa)
Polizeiseelsorge / © Caroline Seidel ( dpa )
Quelle:
DR