Wenn eine Kirche kein Gotteshaus mehr ist

"Die Würde des Ortes wahren"

Was mit katholischen Kirchengebäuden tun, die nicht mehr als Gotteshaus genutzt werden? Das Bistum Essen hat mit einer "Sportkirche" Schlagzeilen gemacht. Marcus Klefken vom Bistum erklärt, worauf bei Umwidmungen zu achten ist.

Restaurant in einer ehemaligen Kirche / © Cristian Gennari (KNA)
Restaurant in einer ehemaligen Kirche / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es ist nicht nur ein geweihter Ort, sondern Menschen verbinden Emotionen mit einer Kirche. Es finden Taufen dort statt, Hochzeiten, Begräbnisse. Wie schmerzhaft ist das für eine Gemeinde, wenn eine Kirche entweiht wird? 

Marcus Klefken (Leiter des Bereichs wirtschaftliche Entwicklung der Kirchengemeinden im Bistum Essen): Mit Kirchen sind ganz, ganz viele Emotionen verbunden. Da finden Ereignisse statt, die ganz persönliche Historie prägen, wie eben Hochzeiten aber auch Trauerfeiern. Da entstehen oft Fundamente, die tiefer reichen als die eigenen vier Wände. Das erlebe ich ganz häufig.

Und wenn diese Fundamente nicht nur sinnbildlich zu bröckeln und einzureißen beginnen, trifft das manchmal ganz tief ins Mark und verletzt auch Menschen. Nicht selten fühlen sich dann die Menschen auch irgendwie alleingelassen und gar nicht mehr zu Hause in der Kirche und haben auch Schwierigkeiten, sich irgendwo anders wieder anzudocken.

Manchmal sind diese Verbindungen auch gar nicht so tief, sondern Kirchen sind einfach im Quartier schöne Orte und man trauert trotzdem darum, dass man diese Landmarke verliert. 

Marcus Klefken, Leiter des Bereichs für wirtschaftliche Entwicklung der Kirchengemeinden im Bistum Essen

"Wenn diese Fundamente nicht nur sinnbildlich zu bröckeln und einzureißen beginnen, trifft das manchmal Menschen ganz tief ins Mark."

DOMRADIO.DE: Wie werden die Kirchen dann entweiht? Gibt es ein spezielles Ritual, eine Segensformel, die ein Pfarrer spricht? 

Klefken: Ich bin Jurist und ich gebe erstmal eine ganz formelle Antwort. Das erfolgt eigentlich durch ein Dekret des Bischofs. Das ist der eigentliche Akt der Profanierung. Die Deutsche Bischofskonferenz hat aber auch eine Abschiedsfeier empfohlen, um eben dieser Trauerkultur einen angemessenen Ausdruck zu verleihen.

Ich habe das in einer Kirche erlebt. Da hat man sich mit der benachbarten evangelischen Kirchengemeinde auf ein Gebäude geeinigt. Und die katholische Kirchengemeinde ist da mit dem Kreuzzug in das neue, gemeinsam genutzte ökumenische Haus umgezogen. Das ist schon beeindruckend.

DOMRADIO.DE: Irgendwann gibt es dann also die Entscheidung, dass eine Kirche nicht mehr gebraucht wird. Wird die dann zum Verkauf ausgeschrieben? 

Klefken: Wir haben ein Team mit Architektinnen und Raumplanern. Unser Anspruch ist immer, gute Nachnutzungen zu finden, die auch zu einer Quartiersentwicklung beitragen und die Lebensqualität der Menschen vor Ort gleichwohl im Blick behalten.

Und ja, Kirchen werden zum Verkauf angeboten, aber eben auch immer mit einer Konzept-Idee verbunden. Ziel ist es regelmäßig, dass wir versuchen, diese Häuser zu erhalten, dort soziale Nutzungen einzubringen wie Pflegeheime, Hospize, Altenwohnung, Kitas, Kunsträume, teilweise auch Wohnnutzung. Eine Ultima Ratio, wenn sich so ein Gebäude gar nicht umsetzen lässt, ist aber auch schon der Abriss. 

DOMRADIO.DE: Angenommen, es kommt jemand und sagt: Ich möchte ein Spielcasino daraus machen, ein Hotel, ein Restaurant oder ein Bordell, um es mal auf die Spitze zu treiben. Wo sind da die Grenzen? 

Marcus Klefken, Leiter des Bereichs wirtschaftliche Entwicklung der Kirchengemeinden im Bistum Essen

"Grundsätzlich ist der Begriff der Würde natürlich auch immer ein Begriff, der sich entwickelt."

Klefken: Da diese Gebäude ja, wie wir eingangs gesagt haben, mit vielen Emotionen verbunden sind, muss natürlich eine neue Nutzung dann auch der Würde des Ortes irgendwie angemessen entsprechen.

Wir sichern das einerseits dadurch ab, dass wir sogenannte Kirchen-Klauseln in den Kaufvertrag oder in die weitere Nutzung einpflegen. Da ist dann möglichst detailliert geregelt, wie eine Nutzung aussieht. Die wird auch ins Grundbuch eingetragen, sodass auch bei einer Weiterveräußerung sichergestellt wird, dass kein Casino entsteht oder andere Nutzungen, die uns nicht würdig erscheinen.

Aber grundsätzlich ist der Begriff der Würde natürlich auch immer ein Begriff, der sich entwickelt. Da haben wir schon sehr viele ganz interessante Umnutzungen gefunden, die auch einen modernen Blick auf dieses Gebäude werfen. 

DOMRADIO.DE: Zum Beispiel, dass eine Kirche zweigeteilt ist? Solche Fälle gibt es ja auch. 

Klefken: Ja, das haben wir schon seit einigen Jahren in Oberhausen. Da ist eine Kirche durch eine Glaswand getrennt worden. Dort ist ein Bereich noch dem Gottesdienst gewidmet. Man kann dort die eigene Taufe oder die eigene Hochzeit feiern. In dem anderen Bereich ist eine Gastronomie angesiedelt. Man kann durch die Glastür treten und die Feier dann dort fortsetzen. 

Das Interview führte Tobias Fricke.

Bistum Essen

Das Bistum Essen ist eines der jüngsten und kleinsten unter den 27 römisch-katholischen Bistümern in Deutschland. Auch in Nordrhein-Westfalen ist es mit 1.877 Quadratkilometern und knapp 680.000 Mitgliedern das kleinste Bistum.

Es wurde am 1. Januar 1958 aus Teilen der (Erz-)Bistümer Köln, Münster und Paderborn errichtet; damals zählte die Diözese noch rund 1,5 Millionen Mitglieder.

Blick auf den Essener Dom / © frantic00 (shutterstock)
Quelle:
DR