DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns zu Beginn kurz klären, was die altkatholische Kirche genau ist.
Anja Goller (Generalvikarin des Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland): Die altkatholische Kirche ist eine katholische Kirche, die bischöflich-synodal organisiert ist. Das bedeutet, wenn Sie bei uns in die Liturgie gehen, ist das ähnlich wie in der römisch-katholischen Kirche. Sie werden kaum Unterschiede feststellen. Auch im Sakramenten-Verständnis sind wir katholisch. Aber wir sind synodal organisiert - das heißt, Laie und Geistliche entscheiden über die Synode als höchstes Gremium über die Belange der Kirche.
DOMRADIO.DE: Was unterscheidet jetzt die altkatholische Kirche von der römisch-katholischen, was die Ämter-Frage angeht?
Goller: Wir haben das dreigliedrige Amt - Diakonat, Presbyteriat und Bischofsamt. Aber das Amt steht allen offen, gleich welchen Geschlechts, also Männern und Frauen.
DOMRADIO.DE: Es ist aber auch noch nicht so lange her, dass in der altkatholischen Kirche zum ersten Mal Frauen zu Priesterinnen geweiht wurden. Diakoninnen gibt es 1987 und Priesterinnen seit 1996. Theoretisch können jetzt auch schon Frauen zur Bischöfin geweiht werden. Wie hat die Auseinandersetzung darüber damals im Vorfeld ausgesehen?
Goller: Wir könnten auch schon eine Bischöfin haben. Das hat sich einfach bisher nicht ergeben. Die Diskussion entstand im Zusammenhang mit der anglikanischen Kirche, mit der wir in voller Sakramentsgemeinschaft stehen. Denn die hatten die Weihe zu Priesterinnen. Und da war die Frage: Wie gehen wir damit um? Daraufhin ist in den 1970er Jahren ein langer Dialogprozess entstanden, der vor allem vom Bund alt-katholischer Frauen initiiert wurde, aber auch durch diverse Synoden ging, die darüber entschieden haben.
Es wurde auf universitärer Ebene darüber diskutiert. Und am Ende stand eben 1988 in Deutschland die erste Weihe zur Diakonin. Mit dem Synodenbeschluss 1994 wurde entschieden, dass das dreigliedrige Amt allen offensteht. 1996 wurden dann die ersten zwei Priesterinnen geweiht.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn, was diese Weihe-Frage angeht, noch Spannungen zwischen den einzelnen Teilkirchen der Altkatholiken, ähnlich wie beispielsweise bei den Anglikanern?
Goller: Wir sind organisiert in der Utrechter Union, das ist der Zusammenschluss altkatholischer Kirchen. Die Bischofskonferenz dieser Kirchen hat in den 1990ern entschieden, dass jede Kirche für sich alleine entscheiden kann, wie sie mit der Frauenordination umgeht. Die tschechische Kirche zum Beispiel hat schon länger Diakoninnen und diskutiert dieses Jahr auf der Synode die Frage der Frauenordination.
DOMRADIO.DE: Dennoch ist ja die altkatholische Kirche relativ klein. Woran liegt es denn, dass dann nicht andere davon überzeugt werden und vielleicht von der römisch-katholischen Kirche zur altkatholischen Kirche übergehen?
Goller: Das ist eine sehr spannende Frage, die ich auch nicht bis ins Letzte beantworten kann. Es sind, glaube ich, verschiedene Gründe. Einer ist eben die Kleinheit. Das heißt, man hat teilweise einfach längere Wege zu einer Gemeinde. Wir sind auch nicht so bekannt. Auch das gehört mit Sicherheit dazu. Und ich glaube schon auch, dass so ein Übertritt sehr viel mit Beheimatung zu tun hat. Eine Heimat zu wechseln ist nicht so einfach.
DOMRADIO.DE: Jetzt nehmen wir noch mal an, eines Tages würde es auch in der römisch-katholischen Kirche Priesterinnen oder gar Bischöfinnen geben. Wäre dann damit die Trennung zwischen römisch-katholischer und altkatholischer Kirche schon obsolet?
Goller: Nein, auf keinen Fall. Weil das, was die altkatholische Kirche im Besonderen ausmacht, ist die Synodalität, dass eben die Laien intensiv mitbestimmen können. Die Synode besteht zu über zwei Dritteln aus Laien und zu etwas weniger als einem Drittel aus Geistlichen. Und die entscheiden, wohin die Kirche geht.
Dieses Mitspracherecht gibt es so in der römisch-katholischen Kirche nicht. Ich denke, das ist ein entscheidender Unterschied, der ja überhaupt erst zur Frauenordination auch in der altkatholischen Kirche geführt hat.
Das Interview führte Florian Helbig.