DOMRADIO.DE: Sie hatten 2018 die Idee, ein Fußballteam aus Geflüchteten auf die Beine zu stellen. Warum?
Lydia Honecker ("Aktion Neue Nachbarn" in Euskirchen, Integrationsagentur der Caritas): Ich denke mal, dass es drei Dinge gibt, die die Menschen überall verbinden. Das ist Musik, das ist Essen und das ist Sport und im Sport insbesondere der Fußball. Ich bin nicht musikalisch, und Fußball war mir dann etwas näher. Und da hatten wir die Idee, hier eine Mannschaft zu gründen und haben dann erst mal eine Akquise gemacht.
Wir haben unter all unseren Geflüchteten nachgefragt, wen es interessiert, in der Fußballmannschaft zu spielen, haben erstmal einen ehrenamtlichen Trainer gehabt und so ist das Ganze Schritt für Schritt in die Wege geleitet worden.
DOMRADIO.DE: Welche Resonanz hatten Sie? Mussten Sie auch sagen "Tut mir leid, Du nicht"?
Honecker: Wir hatten eine große Resonanz zuerst. Aber dann kommt es ja auch darauf an, wer dabei bleibt, regelmäßig zum Training kommt und versteht, dass wir in den Meisterschaftsbetrieb drin sind. Das wollten wir von Anfang an, wir hatten so ein paar Monate Vorlauf, bevor es dann im ersten Jahr in den Meisterschaftsbetrieb in die Kreisklasse C ging.
DOMRADIO.DE: Also man muss das tatsächlich unterscheiden, das ist jetzt nicht so ein Hobbymannschaft mit Geflüchteten. Da ist eine richtige Herrenmannschaft von 18 bis 50 Jahren, aus zehn Nationen kommen die, darunter Srien, Afghanistan, Nigeria, Guinea, Ghana, Türkei, Polen, Iran, Irak. Aber wie verständigt man sich denn da auf den Platz oder ist das nicht so wichtig?
Honecker: Das ist schon wichtig. Mittlerweile geht es relativ gut in Deutsch, aber wir haben sehr viele Schüler aus Guinea, die sprechen jetzt französisch und wir haben das große Glück, dass zwei Spieler aus der erste Mannschaft, deutsche Spieler, französisch sprechen. Wir stellen auch den Vorstand der Mannschaft und haben einen Integrationsbeauftragten im Vorstand, der Sozialarbeiter ist und auch aus Guinea kommt und natürlich dann auch französisch spricht.
Somit haben wir diesen Sprachraum abgedeckt und bei den anderen klappt es auch mittlerweile. Andere sind schon ein paar Jahre hier und die Fußballsprache lernt man dann beim Training mit der Zeit. Das sind dann auch wieder Fachbegriffe. Aber das klappt gut.
DOMRADIO.DE: Manchmal ist es ja so, dass Länder untereinander, wie im Fall Iran und Irak beispielsweise, sich nicht besonders grün sind. Spielt das in Ihrer Mannschaft auch eine Rolle?
Honecker: Nein, überhaupt nicht. Diese Probleme haben wir nie bemerkt. Und ich muss sagen, ich arbeite ja hier in der Flüchtlingshilfe des Caritasverbandes Euskirchen. Und mit unseren Veranstaltungen in unseren Räumen, finden solche Dinge auch nicht statt. Gar nicht.
DOMRADIO.DE: Die Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, haben ja manchmal eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung. Könnte dann auch die Gefahr drohen, dass Spieler, die bei Ihnen in der Mannschaft mitspielen, zwischendrin abgeschoben werden?
Honecker: Wir haben da häufiger Probleme. Wir haben hier in Euskirchen eine zentrale Ersteinrichtung. Von hier aus werden die Menschen ja dann innerhalb Nordrhein-Westfalens verteilt. Aber über diese Transfers haben wir schon Spieler verloren.
Und jetzt aktuell, vor drei Wochen, haben wir einen unserer wichtigsten Spieler durch Abschiebung nach Nigeria verloren. Das war sehr bitter, vor allen Dingen, weil er auch sehr gut integriert war, viele Freunde hier hatte und menschlich ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft war. Also, es sind Rückschläge, die sind nicht so einfach wegzustecken, auch im Hinblick auf den fußballerischen Erfolg der Mannschaft.
DOMRADIO.DE: Und ist das dann auch intern im Team ein Thema? Spricht man darüber?
Honecker: Ja, sicher, da spricht man drüber. Da haben dann die deutschen Spieler, die teilweise Spielführer oder Vorstand sind, bis zum nächsten Training gewartet und haben das mit den Jungs dann besprochen.
DOMRADIO.DE: Man muss jetzt sagen, die fußballerische Bilanz ist eher desaströs. Also 27 von 28 Spielen haben Sie verloren, über 200 Gegentreffer haben Sie da kassiert. Schlägt sowas nicht ganz furchtbar aufs Gemüt der Jungs?
Honecker: Also, ich meine, die Jungs haben meinen größten Respekt. Wir haben es ja von Anfang an gesagt, es wird so kommen, aber wenn man es erlebt, dann ist es natürlich noch mal was anderes. In Euskirchen hat man uns vorausgesagt, dass wir es nicht bis Weihnachten schaffen werden, dass wir dann vorher die Mannschaft auflösen müssen.
Aber wir sind immer noch da. Wir werden die Saison zu Ende spielen. Und der Plan ist ja, in die Kreisliga A abzusteigen, um da eben hoffentlich normal in der Mitte mitspielen zu können. Und mein Respekt gilt wirklich allen Spielern, vor allen Dingen den geflüchteten Spielern, denen ja hier diese ganze Klassenfußball-Geschichten gar nicht so bekannt sind, wirklich jede Woche wieder einzustecken und trotzdem immer zum Training kommen und trotzdem immer alles geben. Das liegt aber wirklich auch daran, dass da ein tolles Team entstanden ist. Also aus einem kleinen nationalen Grüppchen ist eine Mannschaft geformt worden. Da ist auch so meine ganz persönliche Freude, da hat Integration wirklich stattgefunden.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.