"Die Position, die behauptet, die Bibel sieht Homosexualität als Sünde an, ist von der Sache her richtig", erklärte der Wiener Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger am Freitag vor dem Landgericht Bremen.
Allerdings entspreche sie nicht dem aktuellen Mainstream der Bibelauslegung. "Das Thema Homosexualität wird innerhalb der Theologie kontrovers diskutiert", sagte der als konservativ geltende Experte.
Das Amtsgericht Bremen hatte Latzel 2020 wegen Volksverhetzung verurteilt. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass der Pastor der evangelischen Sankt-Martini-Gemeinde in einem Eheseminar zum Hass gegen Homosexuelle und Transgeschlechtliche angestachelt habe.
Dagegen wehrt sich der konservative Seelsorger. Vergangenen Montag sagte er beim Auftakt des Berufungsprozesses vor dem Landgericht, er habe lediglich die Homosexualität und die Gender-Theorie verurteilt, nicht aber die betroffenen Menschen. Damit sehe er sich an die Bibel gebunden, die homosexuelle Taten als Sünde einstufe.
"Nicht als Diskriminierung zu sehen"
Die biblische Position werde heute vom Mainstream der Gesellschaft nicht mehr als akzeptabel angesehen, erklärte Schwienhorst-Schönberger. Latzel wolle sich als Anhänger einer Bewegung von bibeltreuen Christen offenbar stark von der gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung abgrenzen und habe deshalb einen scharfen Ton gewählt. "Das wird oft verstanden als eine Diskriminierung, ist aber vor dem Hintergrund des biblischen Kontextes nicht so zu sehen."
Neben Schwienhorst-Schönberger wollte das Gericht am Freitag noch die als liberal geltende Theologin Isolde Karle anhören. Vor dem Gebäude demonstrierten während der Verhandlung Anhänger des Kollektivs "Queerlobby" für eine Verurteilung Latzels. Ein Urteil könnte am 20. Mai fallen.